Die Postfaschistin Giorgia Meloni hat die Parlamentswahl in Italien gewonnen. So viel steht seit Montag fest. Bei der Wahl tags zuvor wurde ihre Partei die mit Abstand stärkste politische Kraft im Land. Ihr Manöver – sich trotz zahlreicher gegenteiliger Beweise als gemäßigte Politikerin darzustellen, die mit beiden Füßen auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaats steht und zur faschistischen Ideologie auf Abstand geht – ist gelungen.

Eines der Gründungsmitglieder der EU driftet damit weit nach rechts. Nach Ungarn, Polen und eventuell Schweden bekommt nun wohl auch Italien eine nationalistische Regierung, die ein "Europa der Patrioten" proklamiert. Nationalistisch gesinnte Regierungen bekommen immer mehr Gewicht.

Zwar hat sich Meloni zumindest verbal zur EU bekannt: Italiens Verankerung in der Nato und die Unterstützung der Ukraine gegen die russische Aggression würden unter ihr nicht infrage gestellt, erklärte sie. Trotzdem werde Italien in Zukunft "anfangen, seine nationalen Interessen zu verteidigen".

Die Postfaschistin Giorgia Meloni hat die Parlamentswahl in Italien gewonnen.
Foto: REUTERS/GUGLIELMO MANGIAPANE

Die Achse Rom–Paris–Berlin, die bisher einer der wichtigsten politischen Motoren der Europäischen Union war, scheint damit Geschichte. Wird Italien künftig zum Quertreiber nach dem Zuschnitt von Melonis politischem Vorbild Viktor Orbán, dann werden Entscheidungsfindungen innerhalb der EU noch schwieriger, als sie es ohnehin bereits sind. In Zeiten von Energiekrise, Inflation, Ukraine-Krieg und zunehmender Migration, wo gemeinsame Lösungen nicht nur gefragt, sondern schon fast überlebensnotwendig sind, ist das eine ungünstige Gemengelage.

Nationale Alleingänge

Vor allem in der EU-Asylpolitik dürfte es jetzt noch turbulenter werden, mühsam errungene Kompromisse werden wackeln. Und auch die schönen Worte über das Fundament der EU – die gemeinsamen Werte als ideologischer Kitt zwischen den Staaten – verblassen immer stärker, je offener Mitgliedsländer auf nationale Alleingänge setzen.

Eine Totalopposition kann sich aber auch Meloni nicht leisten. Schließlich ist Italien auf die 192 Milliarden Euro aus dem EU-Corona-Ausgleichsfonds angewiesen. Italiens Staatsverschuldung ist eine der höchsten Europas, die finanziellen Spielräume wurden schon unter der vorigen Regierung ausgeschöpft – was die nächsten Warnglocken in Brüssel schrillen lässt. Melonis teure Wahlversprechen wie ein großzügiges Pensionsprogramm oder ein Niedrigsteuersatz drohen die Schuldentragfähigkeit des Landes zu überfordern. Schlittert Italien noch stärker in die Schuldenkrise, käme der gesamte Euroraum unter Druck. Keine angenehmen Aussichten.

Sofern die Regierungsbildung gelingt, wird Giorgia Meloni als erste Ministerpräsidentin Italiens aber vor allem einmal innenpolitisch gefordert sein. Nicht nur, weil die Alphatiere und Putin-Freunde Matteo Salvini und Silvio Berlusconi eher unbequeme Koalitionspartner abgeben dürften. Denn die drei, die einander schon als Personen nicht ausstehen können, sind sich auch in wichtigen außenpolitischen und wirtschaftlichen Fragen ziemlich uneinig.

Der Rechtskoalition stehen somit nicht nur realpolitisch, sondern auch atmosphärisch einige schwierige Monate bevor. Und die italienischen Wählerinnen und Wähler könnten dann das rechte Abenteuer, auf das sie sich am Sonntag mit Giorgia Meloni eingelassen haben, auch schon wieder bereuen. (Manuela Honsig-Erlenburg, 26.9.2022)