Tirols SPÖ-Chef Dornauer öffnete die Tür für ÖVP-Wähler – andere flutschten wieder hinaus

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Wien/Innsbruck – Wo sind sie geblieben, all die Wählerinnen und Wähler? Wahlforscher bemühen sich in den Stunden nach der Wahl stets, anhand von statistischen Merkmalen einzelner Gemeinden die Wählerströme zu errechnen – und kommen diesmal zu einigen überraschenden Befunden. So ergibt sich nach den Berechnungen von Sora, dass der bedeutendste Wähleranteil (rund 16.000 ÖVP-Wähler von 2018) direkt von der ÖVP zur SPÖ gewechselt sind. Das bedeutet andersherum gelesen, dass mehr als ein Viertel der SPÖ-Wählerschaft vom Sonntag frühere Wähler von Günther Platter und dessen ÖVP sind.

Neos mit vielen neuen Wählern

Überhaupt zeigt die Wählerstromanalyse eine beachtliche Mobilität der Tirolerinnen und Tiroler: So dürften nur vier von zehn Neos-Anhängern des Jahres 2018 auch heuer wieder Neos gewählt haben – der leichte Zugewinn der Neos musste also besonders hart durch Neu-Werbung in den Wählerschaften der anderen Parteien (besonders bedeutend: 23 Prozent der heurigen Neos-Wähler haben zuletzt ÖVP gewählt) und bei den Nichtwählern (17 Prozent der Neos-Wähler haben zuletzt nicht gewählt) gewonnen werden.

Dass die ÖVP besonders große Wähleranteile abgeben musste, ist offensichtlich. Profitiert haben davon neben der SPÖ auch in wesentlich geringerem Maß die FPÖ (rund 9000 Stimmen), die Liste Fritz (6000) und die Neos (5000) – einige Wähler der Platter-ÖVP dürften aber auch daheimgeblieben sein.

Verluste an NIchtwähler

Weniger offensichtlich ist, dass fast alle Parteien an die Nichtwähler verloren haben. Es ist altes Phänomen, dass das auch auf FPÖ-Wähler zutrifft: Dabei handelt es sich um Protestwähler, die den Eindruck haben, dass ihr zuletzt durch eine Stimme für die FPÖ geäußerter Protest eben wenig bewirkt hat.

Umso bedeutender ist die Wahlkampfleistung, dass die FPÖ dann immer in noch höherem Maß frühere Nichtwähler mobilisieren kann – diesmal sind 23 Prozent der FP-Wählerschaft aus diesem Reservoir. Umgekehrt haben auch SPÖ und Grüne jeden zehnten Wähler oder jede zehnte Wählerin (über das Geschlecht macht die Statistik keine Aussage) an die Nichtwählerschaft verloren.

Frauen waren der ÖVP treu

Wenn man genauer wissen will, wie Frauen und Männer gewählt haben, dann muss man sich an Vor-Wahl- und Wahltags-Befragungen halten. Sora hat dabei für den ORF herausgearbeitet, dass die ÖVP bei Frauen überdurchschnittlich (38 Prozent) abgeschnitten hat – am besten bei Frauen über 45 (47 Prozent). Die Freiheitlichen mobilisierten vor allem Männer bis 44 Jahren.

Der SPÖ-Spitzenkandidat und Bürgermeister von Sellrain, Georg Dornauer, hat bei der Tirol-Wahl den Sieg bei den Vorzugsstimmen errungen. 7.566 Menschen gaben ihm im Wahlkreis Innsbruck-Land die Stimme. Der Vorzugsstimmenkaiser der letzten Landtagswahl, ÖVP-Chef Anton Mattle, erhielt in Landeck 5.750. Auf der ÖVP-Landesliste belegte Jungbauernobmann Dominik Traxl (3.311) Platz eins. Im Wahlkreis Schwaz übertrumpfte der blaue Bundesrat Christoph Steiner mit 4.278 Stimmen die ÖVP-Kandidaten.

Peter Hajek untersuchte für ATV auch die Motive der Wählenden. Sowohl bei den SPÖ-als auch bei den FPÖ-Wählern kamen hohe Werte für einen Wunsch nach Veränderung – bei der FPÖ motivierte das rund 22, bei der SPÖ rund 18 Prozent. Die Grünen, die weitgehend auf ihre Kernwählerschaft zusammengeschmolzen sind, konnten ihre Wähler vor allem mit ihren Themen Klima und Verkehr ansprechen. Die ÖVP wurde durch Traditionswähler vor dem Totalabsturz bewahrt. (cs, red, APA, 27.9.2022)