Im Vergleich zu den Umfragen war das Ergebnis von Toni Mattle und seiner ÖVP in Tirol überraschend gut.

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So schlimm wie prognostiziert ist es für die ÖVP in Tirol doch nicht gekommen. Einige Umfragen hatten ihr schlappe 26 Prozent vorhergesagt – ein doch großer Unterschied zum vorläufigen Endergebnis von 35 Prozent. Der ÖVP kommt das durchaus zupass: Sie kann ihren Absturz nun als weniger gravierend darstellen. Doch wie konnten die Umfragen überhaupt derart irren?

Der Hauptgrund dürfte in der Methodik liegen, sind sich Branchenkenner einig. Politologe Peter Filzmaier formulierte es in der "ZiB 2" am Sonntag so: "Einige der veröffentlichten Umfragen waren nichts als methodischer Schrott." Konkret ist damit gemeint, dass die Stichproben teils weniger als 600 Befragte zählten und ausschließlich online befragt wurde.

Das verstößt klar gegen Regeln, die sich die Branche zur Qualitätssicherung von Wahlforschung, die in Medien publiziert wird, gegeben hat. Eine Richtlinie des Verbands der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs (VdMI) schreibt mindestens 800 Befragte und eine Kombination von Telefon- und persönlichen Interviews oder Telefon- und Onlinebefragung vor.

Denn repräsentative Online-Panels gebe es schlicht nicht, betonte VdMI-Chefin Edith Jaksch im STANDARD-Gespräch. "Es hat sich gezeigt, dass am Sonntag etwa viele ältere Frauen ÖVP gewählt haben, die waren von den Umfragen nicht erfasst." Verstößt ein Institut ständig gegen die brancheninternen Regeln, wird es vom Verband ausgeschlossen.

Schlechte Umfragen "ned amol ignorieren"

Neben der Art und Weise, wie Umfragen erstellt werden, ist für Jaksch der Umgang damit entscheidend: "Meines Wissens entsprach keine einzige Umfrage, die zur Tirol-Wahl publiziert wurde, den Qualitätskriterien." Mit solchen Umfragen sollte man sich am besten gar nicht beschäftigen.

Noch deutlicher wurde Wahlforscher Christoph Hofinger: "Ich hoffe, dass die Medien aufhören, so einen Schmarrn zu veröffentlichen", appellierte er im Chat mit der STANDARD-Community. Sein Rat: "Ned amol ignorieren."

Die scheuen Schwarzen

Hofinger hat noch weitere Erklärungen für die Diskrepanz. "Die ÖVP hatte möglicherweise einen Last-Minute-Swing von Armageddon zu verschmerzbarer Niederlage", vermutete er. Anfang September, als die Umfragen gemacht wurden, habe sich dieser naturgemäß nicht gezeigt.

Und es gebe Hinweise auf einen gewissen Anteil an "Shy ÖVP Voters" im Unterland und in Innsbruck-Land. Diese hätten sich unter dem Eindruck, dass rund um sie ohnehin niemand mehr ÖVP wähle, nicht getraut, sich zu deklarieren. Aber dann doch ÖVP angekreuzt.

Von einem Veröffentlichungsverbot für Umfragen kurz vor dem Wahltag, wie es etwa Italien hat, hält Branchenvertreterin Jaksch dennoch nicht viel. "Man kann das diskutieren. Aber der Einfluss von Umfragen wird überschätzt." (Stefanie Rachbauer, 26.9.2022)