Afghanische Flüchtlinge schaffen es in einer Boeing der US-Luftwaffe raus aus dem Land.

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Schreiende, Zertrampelte, Tote. Mitte August 2021, der Wettlauf gegen die Zeit beginnt – und mündete in einer humanitären Katastrophe. Nach 20 Jahren des Kampfes gegen die Taliban zogen die USA ihre Truppen am 31. August 2021 endgültig aus Afghanistan ab. Was sich in den 18 dramatischen Tagen davor ereignete, rollt die Dokumentation Kabul Airport – Flucht aus Afghanistan mit Aufnahmen auf, die unter die Haut gehen – zu sehen am Dienstag um 20.15 Uhr auf Arte sowie in der Mediathek des Senders.

Schauplatz der Doku ist der internationale Flughafen Hamid Karzai im Nordosten der afghanischen Hauptstadt Kabul. Unter dem Kommando der USA haben die internationalen Streitkräfte den Auftrag, ihre Bürger sowie tausende Menschen außer Landes zu bringen. Sie gelten als ihre Verbündete und müssen nach dem rasanten Vormarsch der Taliban um ihr Leben fürchten.

Nachdem bereits eine Stadt nach der anderen in die Hände der Taliban fällt, stehen die selbst ernannten Gotteskrieger Mitte August 2021 vor den Toren Kabuls. Eines ihrer ersten Ziele ist der Präsidentenpalast, den sie symbolträchtig besetzen. "Es war aber in unseren Augen kein Palast, sondern ein Bordell", sagt ein Taliban-Sprecher.

Chaostage am Flughafen

Um zuvor die gefährdeten Zivilistinnen und Zivilisten rauszuholen, fliegen US-Marines ihre Einheiten am 13. August nach Kabul. "Wir rechneten mit einem halbwegs geordneten Ablauf aufgrund der Sicherheitszonen um Kabul. Wir ahnten nicht, was kommen würde", sagt US-Marine Major Jordan Eddington, "Es war eine humanitäre Katastrophe." Nachdem klar war, dass die Taliban Kabul einnehmen werden, machen sich Zehntausende auf den Weg zum Flughafen – verbunden mit der Hoffnung, rechtzeitig evakuiert zu werden. Die Angst vor der Rache der Taliban und ihren Selbstmordattentaten ist allgegenwärtig.

Flughafen Kabul, 16. August 2021.
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"Wir waren noch nicht einmal bereit für Evakuierungsmaßnahmen, und schon wurde der US-Stützpunkt gestürmt. Das Rollfeld war überlaufen", sagt Chris Richardella, der die Evakuierungen orchestrieren sollte. Die Verzweiflung geht so weit, dass sich Flüchtende an die Flugzeuge klammern – und von dort in den Tod stürzen. Warnschüsse, Schlagstöcke, Panzer und tieffliegende Hubschrauber sollen die Leute von den Start- und Landebahnen vertreiben. Um die überforderten Marines zu unterstützen, wird eine afghanische Spezialeinheit zu Hilfe geholt. "Die haben einfach die Leute erschossen oder überfahren", erzählt US-Marine Major Jordan Eddington: "Es war schrecklich, das anzusehen." Dafür sind danach die Rollfelder wieder frei, und der Flughafen ist vorerst unter Kontrolle.

Angst und Massenpanik

Ab dem 17. August soll ein Schleusensystem das Chaos reduzieren, während nach wie vor Tausende vor den Mauern warten, um das Tor in den Flughafen passieren zu können. Die Menschen stehen kilometerweise Schlange, Schulter an Schulter, tagelang. "Man sah blutüberströmte Menschen, die seit Tagen ohne Wasser waren", beschreibt es ein US-Marine. Sie befinden sich mitten im Abwasser, zwischen Kot und Urin. "Kinder wurden zerquetscht, sie starben in der Menge." Das Resultat sind rund 200 Tote.

Bilder, die man nicht so schnell vergisst: Überfüllte Maschinen, verzweifelte Menschen am Flughafen von Kabul.
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Aufgrund eines Deals mit dem Feind, den Taliban, können bis 31. August insgesamt etwa 122.000 Menschen ausgeflogen werden. Sehr viele haben es nicht geschafft. (Oliver Mark, 27.9.2022)