Seit 2008 wird ermittelt, nun soll die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Julius Meinl V. und andere einstellen wollen.

Foto: Matthias Cremer

Rund 14 Jahre nach Beginn der Ermittlungen in der Anlegercausa Meinl European Land (MEL) gibt es nun Bewegung in diesem Fall. Seit der Finanzkrise und dem Kursabsturz der MEL-Papiere 2008 ermittelt die Staatsanwaltschaft (StA)Wien gegen Ex-Meinl-Banker wie Julius Meinl V. oder Peter Weinzierl und rund ein Dutzend andere wegen des Vorwurfs des schweren gewerbsmäßigen Betrugs. Zudem gibt es auch andere Stränge in der Causa.

Vor einiger Zeit hat die StA Wien nun einen Vorhabensbericht bei den Oberbehörden eingebracht. Dem Vernehmen nach hegt sie den Plan, das Verfahren ganz einzustellen. Das schrieb am Dienstag auch der "Kurier". Die StA Wien bestätigt nur, dass es einen Vorhabensbericht gibt, Näheres – möglich sind Einstellung, Anklage oder weitere Ermittlungsschritte – sagt sie nicht.

Gutachten eingeholt

Der Vorhabensbericht basiert auf dem Gutachten eines Sachverständigen, das das Straflandesgericht Wien in Auftrag geben hat. Er sollte, kurz zusammengefasst, den Schaden beziffern, den allfällige rechtswidrige Handlungen der Beschuldigten angerichtet haben. Die MEL sollte vor allem in osteuropäische Immobilien investieren, die Banker wandten sich auch an Kleinanleger, die nach dem Kurssturz Millionen und Abermillionen verlieren sollten. Mit vielen der Anleger hat man sich in Zivilverfahren verglichen.

Abgegeben hat der Gutachter seine 111-seitige Expertise am 29. Juni und er kommt darin zum Schluss, dass die den Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen oder Unterlassungen "abstrakt zumindest geeignet waren", den Börsenkurs und die Volatilität der MEL-Papiere zu beeinflussen. Aber: Der "konkrete Einfluss" dieser Sachverhalte sei "isoliert zahlenmäßig überhaupt nicht zu bestimmen", heißt es in der Zusammenfassung, die dem STANDARD vorliegt. Anders gesagt: Der konkrete Schaden durch etwaige Tathandlungen ist also nicht zu beziffern, was eine Anklage de facto unmöglich macht.

Mündelsicherheit beflügelte Geschäft

Bezug nimmt der Gutachter auch auf jenes "Privatgutachten", das den MEL-Papieren einst Mündelsicherheit attestiert habe. "Am ehesten auffällig" seien noch die Abgabe dieses Gutachtens über Mündelgeldeignung und der unmittelbar darauf folgende Kurs- und Volatilitätsanstieg von Mitte November 2006. Auch da macht der Gutachter Einschränkungen: "Eine Kausalität lässt sich bei Börsenkursen allerdings nicht abschließend beweisen."

Zudem dürfte die Gesellschaft Somal A.V.V. mit ihrem "Market Making" zur Kurs- und Volatilitätsentwicklung beigetragen haben, schreibt der Sachverständige. Zur Erinnerung: Die Somal soll gemäß der Vorwürfe nicht platzierte MEL-Papiere übernommen und später mit Gewinn veräußert bzw. an der Börse erworben haben.

Zudem sei auch eine Bandbreite für die hypothetische Kursentwicklung "nicht seriös" anzugeben, schreibt der Sachverständige. Auch die Anschlussfrage aus dem Gutachtensauftrag, um welchen prozentmäßigen Wert der Börsenpreis der Zertifikate niedriger oder höher gewesen wäre, hätte der Markt von der mutmaßlichen (sic) Täuschung oder falschen Informationen gewusst, voliert der Gutachter ab. Auch das lasse sich "nicht verlässlich bestimmen".

Alte und neue Vorwürfe

Wie es nun weitergeht, entscheidet Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, für sie gilt die Unschuldsvermutung. Der Abschlussbericht der Ermittler liegt seit 2016 vor, ein Untreueverfahren rund um eine Sonderdividende wurde 2018 eingestellt. Abseits dessen ermittelt die US-Justiz gegen Meinl und Weinzierl rund um den Odebrecht-Bestechungsskandal; die USA verlangen die Auslieferung Weinzierls, der sich in London aufhält. Seine nächste Anhörung dort findet Mitte November statt. Auch in dem Konnex gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, 27.9.2022)