Eine nasale Verabreichung des Impfstoffs soll zu einem besseren Schutz an den Schleimhäuten führen und so besser vor Ansteckung schützen, hoffen Fachleute.

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Die Hoffnung in nasale Impfstoffe ist groß und klingt im ersten Moment logisch. Wird der Impfstoff mittels Nasenspray verabreicht, entsteht – so der erwartete Effekt – der Immunschutz auch genau dort, wo das Virus in den Körper eindringt: an den Schleimhäuten im Nasen- und Rachenbereich. Das ist auch der Grund, warum geimpfte Personen mit Durchbruchsinfektion besonders gut geschützt sind. Sie hatten bei der Infektion eine starke Mitbeteiligung der oberen Atemwege.

Nasale Impfungen sollen im besten Fall also auch Infektionen abwehren und nicht wie andere Corona-Impfstoffe hauptsächlich vor schweren Verläufen und Tod schützen. "Der beste Schutz gegen die Erstinfektion mit dem Coronavirus sowie gegen die Übertragung des Virus wird am wirksamsten durch intranasale Impfstoffe erreicht", glaubt etwa Michael Russell, emeritierter Professor für Mikrobiologie und Immunologie und Erstautor einer im vergangenen Monat in "Frontiers in Immunology" veröffentlichten Arbeit.

Daten zur verbesserten Wirkung fehlen

Wie gut diese theoretische Wunschvorstellung in der Praxis tatsächlich funktioniert, ist noch nicht endgültig geklärt, betont Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der Med-Uni / AKH Wien. Aus Tiermodellen gibt es aber zumindest erste Hinweise, berichtet er: "Wenn man einer Maus einen Impfstoff sowohl in den Muskel spritzt als auch über die Nase verabreicht, dann ist die Immunantwort höher, wenn der Impfstoff zusätzlich in die Nase gegeben wurde."

Noch ist allerdings nicht klar, um wie viel besser die Immunantwort bei nasalen Impfstoffen als bei intramuskulären Impfstoffen ist. Zudem fehlen Messwerte zur Immunität in den Schleimhäuten: Wie hoch müssen die Antikörper im Bereich der Schleimhäute sein, um tatsächlich vor Ansteckung zu schützen?

Zulassung in Indien

Anfang September wurde ein nasales Präparat zum Einsatz bei Grundimmunisierungen und Booster-Impfungen in Indien zugelassen. Der indische Gesundheitsminister Mansukh Mandaviya bestätigte das auf Twitter. Die Zulassung beruhe auf noch nicht publizierten Ergebnissen aus klinischen Phase-3-Studien. Der Hersteller Bharat Biotech hat den Impfstoff nach eigener Angabe bei etwa 3.100 Erwachsenen getestet.

Laut WHO sind aktuell 13 nasale Impfstoffe in Entwicklung, das sind etwa acht Prozent aller Corona-Impfstoffe. Einige werden bereits in klinischen Studien getestet, aber zu den Nebenwirkungen gibt es bisher kaum Daten, sagt Zeitlinger: "Wir wissen, dass Corona zu Geruchs- und Geschmacksverlust führen kann. Das ist auch bei den nasalen Impfstoffen eine Sorge."

Aber auch andere Nebenwirkungen seien vor allem bei intranasalen Impfstoffen zu berücksichtigen, betonen Fachleute, weil das Vakzin sehr nahe an den Gesichtsnerven verabreicht wird. Ein nasaler Grippeimpfstoff eines Schweizer Herstellers wurde etwa 2001 vom Markt genommen, nachdem sich Fälle von Gesichtslähmung bei Geimpften häuften.

Dazu kommt die Dosierung, die bei intramuskulären Präparaten einfacher zu steuern ist: "Wenn ich einen halben Milliliter in den Muskel spritze, ist der Impfstoff dann tatsächlich auch im Muskel und bleibt dort. In die Nase kann der Impfstoff mehr oder weniger tief hineingespritzt werden, die Hälfte kann möglicherweise wieder herausrinnen. Das ist eine wesentlich variablere Applikation, ein großer Nachteil", stellt Zeitlinger klar.

Einsatz von nasalen Impfstoffen in Europa dauert noch

Momentan ist nur ein über die Nase zu verabreichender Impfstoff in Europa zugelassen, ein Grippevakzin von Astra Zeneca für Kinder und Jugendliche. Dass auch nasale Corona-Impfstoffe hierzulande schon bald zum Einsatz kommen, glaubt Zeitlinger nicht: "Im nächsten halben Jahr würde mich das sehr überraschen. Der Impfstoffmarkt ist bei uns gut gesättigt."

Manche sehen nasale Impfstoffe zwar als endgültigen Ausweg aus der Pandemie, den ganz großen Fortschritt bringen sie aber wahrscheinlich nicht, sagt Zeitlinger und betont: "Der Gamechanger, der richtige Kracher, waren Impfstoffe bereits grundsätzlich." (Magdalena Pötsch, 28.9.2022)