Beim Workshop "Tatort Biotonne" der Boku Wien wurden Fragen rund um die richtige Lagerung von Lebensmitteln geklärt.

Foto: United Against Waste / sophisticated pictures

Neben dem Altbrot, vergorenen Äpfeln und Salatblättern liegt ein schlabbriges Stück Pizza, dessen Belag nicht mehr identifizierbar ist. "Das hätte man in Alufolie einwickeln können", sagt ein Bub, der sich mit seinen Klassenkolleginnen um den Tisch versammelt hat. "Ich hätte sie in eine Tupperbox gegeben und am nächsten Tag im Ofen aufgewärmt", schlägt ein Mädchen vor. Warum diese Lebensmittel das Zeitliche segnen mussten und wie das hätte verhindert werden können, dazu hat die Klasse in der Ganztagesvolksschule in Wien-Simmering schon Ideen parat. Weitere bekommt die interessierte Runde am Dienstag bei dem von der Universität für Bodenkultur (Boku) initiierten Workshop "Tatort Biotonne".

Mahlzeiten für 45.000 Kinder

Anlass dafür ist der Berg an Essen, der jedes Jahr in Mülltonnen landet – auch in jenen an Österreichs Schulen. Allein in Wien werden Schätzungen zufolge 45.000 warme Mahlzeiten an Schülerinnen und Schüler in der Ganztagsbetreuung ausgeteilt. Nicht alles wird aber verzehrt. Etwa zwanzig Prozent dieser Lebensmittel landen im Abfall, verweist Gudrun Obersteiner vom Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft (Boku) auf ein erstes Abfallmonitoring. Wie es zu diesen Abfällen überhaupt kommt und welche Maßnahmen daraus abgeleitet werden können, dazu werden von der Boku erstmals umfassend Daten erhoben. "Wir schätzen das Vermeidungspotenzial an österreichischen Schulen auf etwa 3.500 bis 6.700 Tonnen pro Jahr ein", sagt Obersteiner bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Im Rahmen der Initiative United Against Waste wird dieses Bestreben vom Klimaschutzministerium und der Stadt Wien unterstützt, die dieses Thema vor dem internationalen Tag gegen Lebensmittelverschwendung am 29. September auf ihre Agenda gesetzt haben – und sich an Workshops und Aktionstagen für einen bewussteren Umgang mit Nahrungsmitteln beteiligen.

Unbeliebtes Essen

Fest steht schon jetzt: Die Ursachen für den unnötigen Lebensmittelabfall sind ähnlich vielschichtig wie das System der Schulverpflegung selbst. Einerseits beruht die wöchentliche Bestellung auf der individuellen Einschätzung der Bestellerinnen – meist sind das Freizeitpädagogen –, was den Kindern schmecken könnte. Auch spielen Portionengröße sowie räumliche Faktoren wie Größe und Lage des Speisesaals oder die Frage, wie das Essen angerichtet und ob und wie es aufgewärmt wird, eine Rolle. "Die Verpflegung in Wien folgt strengen Kriterien hinsichtlich Gesundheit, 50 Prozent Bioanteil, Regionalität, Saisonalität sowie sozialen Standards und Tierwohl", sagt Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos), der nicht nur bei der Wiener Schulküche, sondern auch bei der Abfallvermeidung eine "Vorbildwirkung" erzielen möchte.

Gewisse Kriterien, die auf eine gesunde Ernährung bei Kindern abzielen, sind paradoxerweise aber auch ein Müllverursacher: denn der kulinarische Essensschreck bei Schulkindern ist immer noch der Salat in allen Variationen. "An gewissen Tagen haben wir eine Wegwerfquote von 70 Prozent", sagt Obersteiner. Auch hier gelte es zu überdenken, wie mit der Tatsache, dass Kinder einfach keinen Salat essen wollen, umgegangen werden soll.

Buffets reduzieren Müll

Ein entscheidender Hebel bei der Essensverschwendung sei jedenfalls die Umstellung auf Schulbuffets, wie sie laut Wiederkehr die "allermeisten Schulstandorte" in Wien bereits haben. "Zuerst hatten wir die Sorge, dass sich alle die Teller vollschaufeln wie in den All-inclusive-Clubs", sagt Claudia Ertl-Huemer von Gourmet-Catering, das das Gros der Wiener Schulen beliefert. Bewahrheitet hat sich das nicht. "Die Tellerreste sind dadurch viel geringer bei den Kindern", resümiert Obersteiner. Letztlich könne sich jedes Kind entscheiden, wie viel Essen es sich schöpfen mag, was zu einem selbstbestimmten Umgang mit Essen beitrage. Das Problem: Viele Schulen sehen Corona-bedingt seit Beginn der Pandemie wieder von den Buffets ab, was die Lebensmittelabfälle wieder erhöht haben dürfte.

WWF mit Fünf-Punkte-Plan

Maßnahmen gegen die generelle Lebensmittelverschwendung hat am Dienstag auch der österreichische WWF gefordert – und gleichzeitig scharfe Kritik an der Bundesregierung geübt. "Österreich hat sich dazu verpflichtet, die Lebensmittelabfälle pro Kopf bis 2030 zu halbieren und entlang der Produktions- und Lieferkette zu reduzieren", sagte WWF-Experte Dominik Heizmann. Zwar habe die Regierung bereits 2020 Maßnahmen angekündigt, Taten seien darauf aber keine gefolgt. Die Naturschutzorganisation legte daher einen Fünf-Punkte-Plan vor: demnach soll etwa die Datenlage in allen Bereichen verbessert und eine öffentliche Berichtspflicht für große Unternehmen im Lebensmittelsektor verankert werden. Außerdem müsse sich der Umgang mit Überschüssen ändern: die Weitergabe und Weiterverarbeitung von Lebensmitteln müssten demnach vor der Entsorgung kommen. In ganz Österreich landen jährlich über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg eine Million Tonnen Lebensmittel im Abfall. (Elisa Tomaselli, 27.9.2022)