Richtige Wahlsiege schmecken wohl anders: Matteo Salvini gehört zwar mit seiner Lega zum erfolgreichen Bündnis rund um Giorgia Meloni – doch während sie ihr Wahlergebnis von 2018 am Sonntag fast versechsfachen konnte, musste der Chef der rechtspopulistischen Partei ein sattes Minus hinnehmen. 2018 erreichte die Lega, auch damals im Bündnis mit Melonis Fratelli d’Italia, fast 18 Prozent der Stimmen; am Sonntag waren es nur knapp unter neun Prozent.

Matteo Salvini scheint nicht die Verantwortung für das Wahl-Minus übernehmen zu wollen.
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Nach anfangs diskreter Kritik am Parteichef wird diese nun umso deutlicher: Lega-Urgestein Roberto Maroni sinnierte am Dienstag in seiner Kolumne für Il Foglio über die Zukunft der Partei und warf eine Drohung hin: "Ich wüsste, wen ich zum neuen Parteichef wählen müsste. Aber im Moment nenne ich noch keine Namen. Bleiben Sie dran."

Ärger wegen Mandatsverlusts für Bossi

Für schlechte Stimmung in der Zentrale sorgte am Dienstag auch die Nachricht, dass Parteigründer Umberto Bossi sein Mandat verpasst hat und nach 35 Jahren seinen Sessel in der Abgeordnetenkammer räumen muss. Salvini preschte sogleich mit dem Vorschlag vor, der 81-jährige Bossi möge doch in Anerkennung seines politischen Lebenswerks von Staatspräsident Sergio Mattarella zum "Senator auf Lebenszeit" ernannt werden.

Da müsste allerdings das Staatsoberhaupt erst einmal mitspielen: Zwar ist Mattarella in seiner Entscheidung völlig frei, wem er diese Ehre zuteil werden lässt; er ist allerdings auch als extrem korrekter Politiker bekannt, der nicht einfach so nach Belieben Gefallen verteilt.

Ein weiteres Indiz dafür, dass Salvinis Stern im Sinken begriffen sein dürfte, sind die Signale, die er von Wahlsiegerin Giorgia Meloni bekommt. Die Chefin der Fratelli d’Italia macht sich seit dem Wahlabend rar, dem Vernehmen nach stellt sie bereits ein Regierungsteam auf die Beine, um nach der Konstituierung des Parlaments am 13. Oktober Präsident Mattarella möglichst schnell von ihrer Regierungswilligkeit und -fähigkeit zu überzeugen.

Minister? Ja, aber ...

Salvini sei von Meloni dabei ein Regierungsamt angeboten worden – allerdings nicht jenes des Innenministers, das zweifelsohne sein Traumjob wäre. Diese Funktion hatte er schon in der ersten Regierung unter Giuseppe Conte ab 2018 inne, und damals sorgte er mit einer extrem harten Politik gegenüber Menschen, die über das Mittelmeer nach Italien einreisen wollten, für internationale Empörung.

Doch nicht nur das: Dem Vernehmen nach verhandle Meloni in Bezug auf die Regierungsbildung nicht nur mit dem Parteichef der Lega, sondern mehr oder weniger verdeckt auch mit dem Gouverneur der Region Venetien, Luca Zaia – für Salvini ein Affront.

Gespräche führte Meloni laut Berichten mehrerer Medien auch mit dem scheidenden Ministerpräsidenten Mario Draghi. Den formell parteiunabhängigen Wirtschaftsfachmann hatte sie schon vorher um Orientierungshilfe bei der Budgeterstellung gebeten. (Gianluca Wallisch, 28.9.2022)