Bereits einen Tag nachdem Wladimir Putin vergangene Woche das Dekret zur Teilmobilisierung unterschrieben hatte, versammelten sich Menschen vor diesem Rekrutierungszentrum in Machatschkala.

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Die Ankündigung Wladimir Putins, 300.000 Soldaten für den Krieg in der Ukraine zu mobilisieren, hat eine Welle von Unruhen quer durch Russland ausgelöst – von Moskau und Sankt Petersburg bis nach Sibirien und in den Nordkaukasus.

Einige der Proteste wurden in den beiden größten Städten der nordkaukasischen Republik Dagestan, Machatschkala und Chassawjurt, beobachtet. Hunderte gingen am Wochenende auf die Straße; Frauen schrien Polizisten und Beamte wütend an, ihre Söhne "nicht als Kanonenfutter in die Ukraine zu bringen", junge Männer wurden von der Polizei schreiend und tretend weggezerrt.

Marat* war einer der mehr als 200 Festgenommenen. Der Student Anfang 20 hatte sich mit etwa 300 anderen auf dem Hauptplatz von Machatschkala versammelt, als er geschlagen, in einen Polizeiwagen gezerrt und über Nacht in Gewahrsam genommen wurde, wie er dem STANDARD erzählt. Marat will "auf keinen Fall in Putins Krieg kämpfen", weiß aber nicht wohin, "um der Zwangsmobilisierung zu entgehen".

"Der Krieg in der Ukraine spiegelt wider, was im Nordkaukasus seit Jahrhunderten vor sich geht", sagt Marat. "Das Gefühl, von einer ethnischen Gruppe kolonisiert worden zu sein, die sich für überlegen hält, hat uns immer begleitet. Jetzt benutzen sie uns als Kanonenfutter in ihrem Krieg, und diese Situation mit der Mobilisierung hat unsere unterdrückte Empörung wachgerüttelt."

Auch Studenten eingezogen

Neben den Nordkaukasiern sind auch andere ethnische Minderheiten aus den ärmeren Regionen Russlands unverhältnismäßig stark betroffen, insbesondere aus den sibirischen Provinzen Burjatien, Tuwa und Jakutien. Trotz Putins Behauptungen, dass Studierende von der Mobilisierung ausgenommen seien, wurden Eingeschriebene der Burjatischen Universität von der Polizei gewaltsam abgeführt. Gleichzeitig zahlen Söhne der russischen Elite Berichten zufolge hohe Bestechungssummen, um nicht an die Front geschickt zu werden.

Seit Putins Befehl fliehen Hunderttausende von Männern im wehrpflichtigen Alter aus Russland. Flüge aus Russland sind schon Wochen im Voraus ausgebucht. Eine Quelle in der russischen Präsidialverwaltung sagte der unabhängigen Online-Zeitung "Nowaja Gaseta, Europa", dass in den drei Tagen nach Putins Teilmobilmachung am 21. September 261.000 Männer Russland verlassen haben. Erwartet wird, dass der Kreml die Grenzen noch diese Woche vollständig abriegelt.

An den Grenzübergängen, etwa nach Georgien, Kasachstan und in die Mongolei, bilden sich derzeit lange Schlangen. Russische Militärs suchen nach Wehrdienstverweigerern. Auf tschetschenischen und dagestanischen Telegram-Kanälen veröffentlichte Videos zeigen Hunderte von Männern aus dem Nordkaukasus, die an der georgischen Grenze auf Pappkartons schlafen, nachdem ihnen die Ausreise verweigert worden ist. Gleichzeitig demütigt der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow öffentlich diejenigen, die sich weigern zu kämpfen. (Kate Manchester, 28.9.2022)