Die Kontrollen sollen ab Mitternacht gelten.

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Österreich kontrolliert ab Donnerstag, 0 Uhr, die Grenzübergänge zur Slowakei. Das hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Ö1-"Journal um acht" bekanntgegeben. Und diesem Schritt dürften keine langen Überlegungen vorangegangen sein: Denn Tschechien hat erst am Montagabend beschlossen, seine Grenzen zur Slowakei wegen vermehrten Schlepperaufkommens zu kontrollieren. Und weil das Innenministerium mit "Ausweichrouten" rechnet, zieht Österreich nun nach.

Karner: Schneller als Schlepper

Gegenüber Ö1 begründet Karner den Schritt mit den Worten: "Wir müssen reagieren, bevor die Schlepper reagieren". Er sieht es als "Faktum", dass der Großteil der Schlepperwege über die ungarisch-österreichische Grenze führe. Auf neue Entwicklungen, wie in dem Fall die eingeführten Kontrollen an der Grenze zur Slowakei, würden Schlepper allerdings "rasch reagieren", weswegen Karner mit "Abschreckungen" dagegenhalten will.

Dass sich Pendlerinnen und Pendler nun auf lange Wartezeiten an der Grenze einstellen müssen, stellt Karner in Abrede. Letztlich gebe es auch an der ungarischen und slowenischen Grenze seit Jahren Grenzkontrollen. In erster Linie würden dabei sogenannte Schlepperfahrzeuge – "das sind meist weiße Kastenwägen" – überprüft.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bezeichnete die Grenzkontrollen als Reaktion auf die aktuelle Krise der irregulären Migration. Diese Kontrollen seien kein Selbstzweck, sondern sollen Schlepperei bekämpfen und den Druck an den Staatsgrenzen mindern, sagte er.

Kritik aus der Slowakei

Aus der Slowakei kam am Mittwoch Kritik an den Grenzkontrollen. Er glaube nicht, dass die Einführung von Grenzkontrollen durch Österreich und die Tschechische Republik der richtige Weg sei, sagte Verteidigungsminister Jaroslav Naď laut der Nachrichtenagentur TASR. "Es ist wichtig, die Schengen-Außengrenze zu schützen, aber nicht die individuellen Grenzen zwischen uns", so Naď nach einer Regierungssitzung, dieser Schritt laufe auf die Ausübung von politischem Druck hinaus.

Opposition tobt

Kritik hagelte es am Mittwoch auch prompt von der Opposition: FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer sprach von einer "Mogelpackung". Die Kontrollen würden demnach nach dem gleichen Schema wie bisher ablaufen, welches Österreich bereits "Rekordmigrationszahlen" beschere. Er forderte die Umsetzung einer konsequenten "No-Way-Politik" inklusive der Aussetzung des Asylrechts und der Legalisierung von Zurückweisungen. Der oberösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) wies darauf hin, dass neu in Österreich Angekommene etwa zur Registrierungsstelle in das oberösterreichische Wels geschickt würden. "Der Unmut in Wels ist schon groß, die Registrierungsstelle personell am Limit und die Bevölkerung ist verunsichert", beklagte er "die Unfähigkeit der Regierung".

Auch Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) übte im Gespräch mit der APA harsche Kritik am Innenminister. Dieser sei dafür verantwortlich, dass etwa auf den Wiener Bahnhöfen immer wieder zahlreiche Flüchtlinge stranden würden. Der Bund sei für die ersten Schritte des Asylverfahrens zuständig. Die Erstbefragung der Betroffenen zu unterbrechen und diese dann ohne Unterstützung bzw. ohne Geld für Verpflegung und Kleidung weiterzuschicken, sei inakzeptabel.

Hacker forderte den Bund auf, entweder für eine Versorgung der Menschen an der Grenze zu sorgen – also etwa für eine Unterkunft während des einige Tage dauernden Verfahrens – oder deren Weiterreise zu organisieren, wenn man die Befragung tatsächlich unterbrechen und an einem anderen Ort fortsetzen wolle. Das Innenministerium könnte dazu etwa Busse anmieten, um die Flüchtlingen zu den zuständigen Polizeistellen in den Bundesländern zu bringen, schlug der Stadtrat vor.

NGOs fordern Maßnahmen

Tatsächlich sind die Asylantragszahlen 2022 stark gestiegen. Bis Ende August wurden vom Innenministerium 56.000 Asylanträge verzeichnet. Diese Zahl spiegelt sich jedoch nicht in der Grundversorgung wider, wie zahlreiche NGOs berichten und Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination im Gespräch mit dem STANDARD festhält. Zwar nutzen 90.000 Menschen aktuell dieses soziale Netz, allerdings sind 58.000 davon geflüchtete Ukrainerinnen. Letztlich sei das Zielland vieler Einreisender, die etwa im Burgenland aufgegriffen werden, gar nicht Österreich.

Was man sich von dieser neuen Maßnahme verspricht, ist für Gahleitner-Gertz nicht ganz nachvollziehbar. "Bereits jetzt sieht man, wie die Exekutive im Burgenland mit der Situation überfordert ist." Es könne durchaus sein, dass es durch die Kontrollen zu Zuwächsen bei den Asylanträgen kommen wird. "Was wir in dieser Management-Krise wirklich brauchen, ist aber eine Entlastung der Bundesbetreuungseinrichtungen und eine Verteilung der Geflüchteten auf die Bundesländer."

Gemeinsamer Grenzschutz-Aktionsplan mit der Schweiz

Bei einem Besuch von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei seiner Amtskollegin Karin Keller-Sutter in der Schweiz wurde am Mittwoch außerdem ein gemeinsamer Aktionsplan beschlossen. An der gemeinsamen Grenze soll in Schwerpunktaktionen verstärkt zusammengearbeitet werden. Zudem soll Druck auf Balkanländer wie Serbien ausgeübt werden, die geltenden Visaregeln einzuschränken.

Vereinbart wurde die Intensivierung von gemeinsamen Streifen im grenzüberschreitenden Bahnverkehr und von gemeinsame Schwerpunktfahndungen. In beiden Ländern sei die irreguläre Migration in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, betonten die beiden Innenminister bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Nachmittag in Zürich. Kein Land könne dieses Problem alleine angehen, daher sei der "enge Schulterschluss" zwischen Österreich und der Schweiz nötig, so Karner und Keller-Sutter unisono. Gemeinsam soll besonders die Sekundärmigration, also das Weiterziehen in andere Länder, in Europa bekämpft werden.

"Wir lösen die Probleme nicht, wenn wir Migranten weiterreichen von einem Land zum anderen", sagte Keller-Sutter. Die Schweiz meldet bereits seit dem Vorjahr, dass immer mehr Migranten aus Österreich in die Schweiz weiterreisen. An der Ostgrenze und im Süden der Schweiz würden derzeit vermehrt Migranten aufgegriffen, dasselbe Problem habe auch Österreich an seinen Grenzen, so die Schweizer Innenministerin. Die Anwendung des bestehenden Rückübernahmeabkommens zwischen der Schweiz, Österreich und Liechtenstein soll verbessert werden, betonte sie erneut.

Kein Durchwinken

"Ein Durchwinken kommt von uns nicht in Frage", versicherte Karner, Österreich kontrolliere intensiv, "das sind wir unseren Nachbarländern schuldig". Die Schuld für die gestiegenen Asylantragszahlen sehen Karner und Keller-Sutter in der Visa-Politik einiger Balkanstaaten, insbesondere Serbiens. Personen aus Indien, Pakistan, Tunesien, Burundi und anderen Ländern könnten in Serbien visafrei mit dem Flugzeug einreisen und anschließend mit Schleppern in die EU weiterreisen, kritisierten die Innenminister. Dabei seien die Asylgesuche praktisch aussichtslos, so Karner. In den ersten acht Monaten dieses Jahres gab es in Österreich 56.000 Asylansuchen, sagte der Innenminister und sprach von einer "fast schon dramatischen Lage". Seit Jahresbeginn habe es bereits 32.000 negative Asylbescheide gegeben.

Auf Initiative Österreichs ist daher ein Brief an die EU-Kommission in Arbeit, in dem diese aufgefordert wird, Druck auf Serbien auszuüben, um seine Visaregeln an die des Schengen-Raums anzugleichen. Der Brief wurde bisher laut Innenministerium neben der Schweiz auch von Slowenien, Kroatien, und Deutschland unterzeichnet. Man sei mit weiteren Ländern im Gespräch, erklärte Karner. Es sei unerlässlich, dass die EU-Kommission Druck auf Serbien mache, so der Innenminister.

Natürlich gebe es auch bilateral Gespräche mit Serbien, aber entscheidend sei ein gemeinsames Vorgehen der EU, betonte Karner. Mit Serbien hab Österreich prinzipiell eine sehr gute Gesprächsbasis, die polizeiliche Zusammenarbeit sei unerlässliche, so der Innenminister. In Bezug eine Aufnahme auf russische Kriegsdienstverweigerung sprachen beide Innenminister nicht für eine spezielle Regelung aus. Asylanträge sollten in Einzelverfahren geprüft werden, so Karner und Keller-Sutter unisono. (Elisa Tomaselli, red, APA, 28.9.2022)