Jeder fängt mal klein an – im späteren Verlauf können die Spielfelder fast unübersichtlich groß werden.

Foto: Toukana

Sanfte Klarviertöne streicheln den Gehörgang, während ein kleines Schiff einen geschwungenen Fluss entlangfährt und die Flügel einer Windmühle sich fast meditativ langsam vor der malerischen Landschaft drehen. "Dorfromantik" ist in Sachen Videospiele das Äquivalent zu einem erholsamen Urlaub auf dem Land. Wer den durch Games verursachten Stress den "Fifa"- und "Call of Duty"-Spielern überlassen und sich selbst eine gemütliche Zeit gönnen will, der ist bei diesem Indie-Titel aus Deutschland genau richtig.

Kärtchen legen

Zwar nicht romantisch, aber dennoch sehr schön ist die Geschichte der Entwickler Toukana Interactive: vier deutsche Studenten, die sich nach ihrer Game-Design-Ausbildung zusammengetan haben, um Spiele zu entwickeln. Einer ihrer Prototypen entwickelte sich zu "Dorfromantik", einem grundsätzlich simplen Spielkonzept, das jedoch ausreichend Feinheiten anzubieten hat.

Ausgehend von einer sechseckigen Karte legt man als Spielerin oder Spieler 100 zufällige Karten nacheinander aneinander. Die Unterschiede liegen in der Beschaffung der Spielkarten. Manche sind voll mit Wald, andere haben Häuser oder einen Fluss aufgezeichnet. Durch diese Vorgaben lassen sich nicht alle Karten sinnvoll miteinander verbinden, obwohl man sie sehr wohl drehen kann. Punkte gibt es allerdings nur, wenn passende Kanten aneinandergelegt werden, also beispielsweise Baum an Baum.

Das Spiel verfügt über verschieden inszenierte Sets, damit man auch einmal eine verschneite Landschaft bauen kann.
Foto: Toukana

Das immer größer werdende Spielfeld sorgt deshalb für immer neue Herausforderungen, etwa wenn ein Schienengleis in eine Sackgasse geleitet wurde und man auf ein Endstück hoffen muss, um die Punkte für diesen Abschnitt zu erhalten. Durch das Erfüllen von Aufgaben, etwa 20 Häuser aneinanderzureihen, bekommt man zusätzliche Karten spendiert, und so können geübte Spieler bald riesige Landschaften bauen, die allein durch ihre Größe eine nicht zu verachtende Komplexität erreichen. Vor allem deshalb, weil große Spielfelder nicht mehr ganz so übersichtlich sind und man so länger suchen muss, bis man die geeignete Stelle gefunden hat.

Nach und nach lernt man die Eigenheiten des Spiels kennen, dreht die Karte für eine bessere Übersicht und schaltet nach und nach neue Gebäude frei. Alternative Spielmodi, etwa der Kreativ-Modus, in dem man unendlich Kärtchen nachlegen und sich so einfach austoben kann, finden sich ebenfalls im Spiel. Wichtig: In keinem der Modi gibt es ein Zeitlimit oder Gegenspieler. So kann man sich in aller Ruhe Gedanken über den nächsten Schritt machen, braucht keine Online-Anbindung oder ähnlich moderne Gimmicks, die Videospiele über die Jahre immer spannender, aber auch stressiger haben werden lassen.

Toukana Interactive

Erfolg, der verpflichtet

Nachdem der Titel die PC-Community im Vorjahr im Sturm erobert hat und ab Oktober das gleichnamige Brettspiel bei Pegasus-Spiele veröffentlicht wird, stellt sich die Frage nach der Qualität der Umsetzung für die Nintendo Switch. Eines vorweg: Technisch überlastet ist die Nintendo Konsole mit der zwar liebevollen, aber keineswegs überbordenden Optik des Spiels nicht. Auch sonst steht die Umsetzung für die tragbare Konsole dem Original in wenig nach. Die Steuerung via Sticks funktioniert gut, das Drehen der Map via Steuerkreuz wirkt hingegen weniger elegant, zwingt es doch zum Umgreifen.

Die Touch-Steuerung kann man in den Menüs gut nutzen, wirklich zwingend ist sie nicht, weshalb auch am TV ohne große Umstellung gespielt werden kann. Aber vor allem die Möglichkeit, dieses ohne Einbußen zu pausierende Spiel unterwegs genießen zu können, macht die Switch-Version auf diese Weise einzigartig.

"Dorfromantik" kostet im E-Shop der Switch 14,99 Euro. Das Testmuster wurde dem STANDARD von Toukana zur Verfügung gestellt.

Fazit

Zugegeben, beim Titel "Dorfromantik" hab ich zunächst an eine "Bauer sucht Frau"-Thematik gedacht, auch weil ich den Hype rund um das Spiel vor einem Jahr nicht wirklich mitbekommen habe. Für die Switch ist das entspannte Konzept natürlich perfekt geeignet: Egal ob zu Hause oder unterwegs, etwa wenn die eigenen Füße gerade in einem kühlen Bach baumeln. Die simple Spielidee hat einen schnell gefangen, entwickelt sich das Verständnis für das sinnvolle Aneinanderreihen der Karten doch mit jeder Spielstunde wie von selbst.

Wer von den überfüllten Menüs und den stressigen Multiplayer-Trends der letzten Jahre eine Pause braucht, ist bei diesem Spiel in jedem Fall gut aufgehoben. Den fair angesetzten Preis ist dieser Ausflug aufs Land für die Spielerschaft – die sich von diesem Text angesprochen fühlt – in jedem Fall wert. (Alexander Amon, 29.9.2022)