Regelmäßige Interaktionen mit Sprachassistenten könnten die Entwicklung kleinerer Kinder beeinträchtigen.

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Sie spielen auf Kommando Musik, steuern Smart-Home-Geräte, informieren uns kurz und knapp über die Nachrichtenlage und geben uns Antworten auf viele Fragen. Für eine wachsende Zahl an Menschen sind Sprachassistenten wie Apples Siri, Amazons Alexa oder Googles Assistant zu einem geschätzten Werkzeug geworden.

Diesen Funktionen und Vorteilen stehen allerdings auch Defizite gegenüber. Neben Datenschutzbedenken sehen zwei Forscher der School of Clinical Medicine an der University of Cambridge – Anmol und Ananya Arora – auch einen möglichen negativen Einfluss auf die Entwicklung von jüngeren Kindern in Haushalten, die mit smarten Lautsprechern bestückt sind. Einen entsprechenden Artikel haben sie im Journal "Diseases in Childhood" veröffentlicht.

Dabei handelt es sich nicht um eine Studie, sondern um ein Thesenpapier, das drei Problemfelder darlegt und ihre Annahmen untermauert. Die erste Schwierigkeit, die sie bei der Interaktion zwischen Kindern und Sprachassistenten sehen, ist das Risiko falscher bzw. gefährlicher Antworten auf Fragen.

Gefährliche Antworten

Dabei verweist man unter anderem auf einen Fall aus 2021, bei dem Alexa einer Zehnjährigen, die sich eine "Herausforderung" gewünscht hatte, empfahl, eine Münze an den Stecker eines teilweise angesteckten Ladegeräts zu halten. Offenbar war Amazons Service im Versuch, die Frage zu beantworten, auf die gefährliche "Penny Challenge" gestoßen, die im Jahr davor kurz auf Tiktok aufgetaucht war.

Problematische Vermenschlichung

Dadurch, dass jüngere Kinder dazu neigen, Geräte zu "vermenschlichen", ergibt sich nach Ansicht der Wissenschafter auch eine Gefahr für die soziale Entwicklung. Sprachassistenten beachten kaum soziale Etikette, legen etwa keinen Wert auf "Bitte" und "Danke". Auch fehlt es an einer Einordnung des Tonfalls oder ob die Art und Weise, wie ein Sprachbefehl vorgetragen wurde, generell unhöflich oder gar bösartig war.

Auch sämtliche nonverbalen Kommunikationselemente (Mimik und Gestik) fehlen, und ein Kind erhält auch kein konstruktives Feedback, wenn es sich unhöflich verhält. Das wäre aber freilich auch mehr, als ein smarter Lautsprecher bieten kann oder soll. Ergänzungen, wie die optionale "Magic Word"-Funktion von Alexa, die dafür sorgt, dass sich die Sprachassistentin explizit bedankt, wenn man einen Befehl höflich formuliert, seien aber "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung".

Man weist allerdings darauf hin, dass Sprachassistenten laut ersten Untersuchungen eine wichtige Rolle für einsame Erwachsene einnehmen können. In diesem Bereich sei aber noch viel Forschung nötig.

Lernverhinderung

Als drittes potenzielles Problem für Kinder sehen die Forscher, dass smarte Lautsprecher Lernmöglichkeiten verhindern können. Fragt man sie um Informationen, so tragen sie knappe Antworten vor, die sie aus dem Internet bezogen haben. Es entsteht aber kein Dialog, wie es oft geschieht, wenn ein Kind einen Erwachsenen etwas fragt. Dieser kann sich nach dem Kontext der Frage erkundigen, die Grenzen seines eigenen Wissens aufzeigen und auch eine Erklärung zur Antwort liefern.

Diese "traditionelle" Form des Wissenstransfers sei aber wichtig, weil dieser Prozess das logische Verständnis und kritische Denken schult. Zudem haben Studien gezeigt, dass Kinder nur schlecht verstehen, wie man im Internet Informationen gewinnt, wie das Internet funktioniert und wo die Grenzen seiner Möglichkeiten in diesem Kontext liegen. Für Erwachsene sei die Möglichkeit, schnell Auskünfte zu erhalten, allerdings sehr wertvoll.

Zusammenfassend ergibt sich für die Wissenschafter die dringende Notwendigkeit, Langzeitauswirkungen für Kinder zu untersuchen, die regelmäßig mit Alexa und Co zu tun haben. Denn diese Interaktionen während einer essenziellen Entwicklungsphase könnten nachhaltige Folgen auf soziale und kognitive Fähigkeiten haben. (gpi, 29.9.2022)