Wie viel Bier wird nächsten Monat getrunken? Bei der Beantwortung dieser Frage können saisonale Erfahrungswerte Orientierung geben. Das Wetter wird eine Rolle spielen – in einem heißen Herbst braucht es mehr Bier. Dazu kommt die Zahl der Feiertage, der absehbaren Events oder Fußballspiele. Auch die wirtschaftliche Gesamtlage spielt eine Rolle. "Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, steigt der Bierkonsum. Gleichzeitig greifen die Leute eher zu günstigen Varianten und Aktionen", erklärt Eric Weisz einen Zusammenhang, der derzeit durchaus aktuell ist.

Wann nachbestellen? Wie viel sollte auf Lager sein? Welche Mengen werden voraussichtlich verkauft? Die Algorithmen von Circly sollen Fragen dieser Art beantworten.
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Weisz ist Geschäftsführer des Start-ups Circly. Die Frage, welche Faktoren den künftigen Bierkonsum beeinflussen könnten, ist für ihn und das insgesamt achtköpfige Team aus Gründern und Mitarbeitern durchaus relevant. Denn zu den Kunden des St. Pöltener Start-ups, das auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) für die unternehmerische Planung in Produktion und Handel spezialisiert ist, gehören bisher neben Supermärkten und Drogerien auch große Bierbrauer. "Den Effizienzdruck, der durch die Krisen in den Unternehmen entsteht, bemerken wir am Anstieg der Nachfrage nach unserem Service", sagt Weisz. Das 2021 gegründete Start-up, das vom Austria Wirtschaftsservice, der Förderagentur FFG und dem Land Niederösterreich unterstützt wird, möchte in eineinhalb Jahren schwarze Zahlen schreiben. Auch eine Investorenrunde steht an.

Anders als bei Lösungen, die sich an die Data-Scientists in großen Konzernen richten, haben Weisz und Team Klein- und Mittelbetriebe als Zielgruppe. Die Anwendungen sind auf ihre einfache Verwendbarkeit durch Account-Manager, Einkäufer oder Vertriebler getrimmt.

Die Prognosen basieren auf historischen Daten aus dem Unternehmen, mit denen die Machine-Learning-Systeme trainiert werden. Ergebnisse sind via Webübersicht einsehbar oder werden über Schnittstellen wieder in die Unternehmenssysteme übertragen. Immer wieder experimentieren die Entwickler mit weiteren Datensets, die in die darauf aufbauenden Prognosen integriert werden. Neben Fixstartern wie Wirtschaftskennzahlen oder Wetter ist es beim Bier eben vielleicht der Fußballkalender. In Drogerien ist dagegen beispielsweise die Zahl der Geburten relevant.

Zeitersparnis

Weisz verweist auf eine Genauigkeit der Circly-Prognosen von 70 bis 90 Prozent und damit mehr, als mit den hauseigenen Statistiken zu erreichen ist. "Dank unserer Anwendungen müssen sich jetzt nicht mehr drei Abteilungen in einem Betrieb zusammensetzen, um eine Vorhersage zu evaluieren, die mithilfe von Statistiken, eigener Software oder in Excel-Tabellen entstanden ist", hebt Weisz die Zeitersparnis hervor.

Die genaueren Prognosen haben eine Vielzahl von Implikationen für die logistischen Prozesse eines Betriebs, betont der Gründer. Die Produktionsplanung, der Bedarf an Verpackungsmaterial, die Gebindegröße, die Lagerhaltung, der beste Bestellzeitpunkt oder die Befüllung der Regale im Handel sind Faktoren, die beeinflusst werden. Gerade Produzenten hätten oft auch das Problem, dass der Handel zwar die Preise vorgibt, aber oft wenig über den künftigen Bedarf kommuniziert.

In der Weiterentwicklung ihrer Geschäftsidee wollen Weisz und Team deshalb helfen, die Kommunikation entlang gesamter Lieferketten zu verbessern. "Wir wollen die Supply-Chains nicht mehr als lineare Verbindungen, sondern als Cluster sehen, in dem sich die Teilnehmer austauschen und Daten übermitteln können", erklärt der Gründer, der derzeit an der WU Wien im Logistikbereich promoviert.

Nachfrageschwankungen

Die Lieferanten sollen dabei etwa auch nachfragen können, ob sie die KI-Prognosen ihrer Kunden abgreifen dürfen, um sich auf diese Art auf den zukünftigen Bedarf genau einstellen zu können. Phänomenen wie dem Bullwhip-Effekt, bei dem durch Kommunikationsprobleme in einer mehrstufigen Lieferkette starke Nachfrageschwankungen entstehen können, soll so vorgebeugt werden. Eine Förderung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit führt damit zur Optimierung der Supply-Chain. (Alois Pumhösel, 30.9.2022)