Vorarlberg exerziert mit seinem auf die Schiene abgestimmten Stadt-Land-Bussystem vor, wie vernünftiger öffentlicher Verkehr aussehen kann. Tirol erhält bald die weltweit erste mit Wasserstoff betriebene Schmalspurbahn. Die schon lange diskutierte Unterquerung der unter dem motorisierten Individualverkehr leidenden Stadt Salzburg rückt in greifbare Nähe, und die Pinzgaubahn zeigt vor, wie eine Schmalspurbahn erfolgreich betrieben werden kann.

Die Pinzgauer Lokalbahn in Salzburg zeigt vor, wie eine Schmalspurbahn erfolgreich betrieben werden kann.
Foto: Pinzgauer Lokalbahn

In Oberösterreich wird ein milliardenschweres S-Bahn-Konzept im Großraum Linz umgesetzt, und in Gmunden wurde ein vielbeachteter Lückenschluss zwischen der Straßenbahn und einer Überlandstrecke geschafft. Wien hat als großstädtischer Ballungsraum eine Sonderstellung, doch kann sich sein öffentliches Verkehrsnetz im Vergleich mit internationalen Metropolen sehen lassen. Langsam kommt die Verkehrswende auch in Kärnten und der Steiermark ins Laufen, doch auch dort ist noch Luft nach oben.

Während also im Westen Österreichs eifrig an der Mobilitätswende, die Bemühung Verkehr und Mobilität auf nachhaltige Energieträger, sanfte Mobilitätsnutzung und eine Vernetzung verschiedener Formen des Individualverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs umzustellen, gearbeitet wird, schaut es im Osten eher mau aus. Im Burgenland etwa ist der politische Einfluss mächtiger Autobusunternehmen groß. Der Ausbau der Schiene kommt deshalb nur äußerst schleppend voran.

Klotz am Bein

Den größten Nachholbedarf hat Niederösterreich. Es wird noch lange dauern, bis es sich von der langjährigen, konsequent dem Straßenverkehr zugewandten Landesverkehrsplanung erholt. Höhepunkt der rückwärtsgewandten Verkehrspolitik war die Übernahme von 650 Kilometern Nebenbahnen der ÖBB durch das Land Niederösterreich. Die ÖBB war froh, diesen Klotz am Bein, Strecken, auf denen vielfach schon jahrelang kein Zug mehr unterwegs gewesen war, loszuwerden. Das Land Niederösterreich versprach damals alle Strecken zu erhalten, doch kaum erworben, wurden nahezu alle aufgelassen. Nur die Mariazellerbahn wurde quasi als Feigenblatt herausgeputzt und zu einem ernst zu nehmenden Verkehrsmittel ausgebaut.

Bei der Ybbstalbahn mit einem großen Potenzial im Hinblick sowohl auf ihr Einzugsgebiet als auch auf wesentlich kürzere Fahrzeiten genügte allerdings das hartnäckige Begehren eines an der Trasse angesiedelten Möbelherstellers auf Ausbau seines Betriebs, sie einzustellen. Verkehrswende sieht anders aus. So wie auch bei der Thayatalbahn. Dort hatte Niederösterreich zuerst mit Tschechien den Lückenschluss einer durch den Eisernen Vorhang zur Rumpfstrecke gewordenen Bahnlinie für den grenzüberschreitenden Güterverkehr vereinbart. Tschechien baute gemäß dem Übereinkommen seine Trasse bis zur Grenze aus, doch dann beschloss Niederösterreich, seinen Teil gänzlich aufzulassen und darauf einen Radweg anzulegen. Tschechien war ob des Wortbruchs naturgemäß verschnupft, und die Bewohner der kleinen Gemeinden im Thayatal leiden seither unter den durch ihre Dörfer donnernden mit Holz beladenen Schwerverkehr.

Mit den Augen der Kunden

Ein weiteres Beispiel: Die Donauuferbahn verband früher Krems an der Donau mit Grein in Oberösterreich. Nach der Übernahme des niederösterreichischen Teils durch das Land wurde der Betrieb auf einen touristischen Verkehr zwischen Krems und Emmersdorf reduziert. Um endgültige Fakten zu schaffen, wurden die restlichen Kilometer bis zur Landesgrenze in Oberösterreich aufgelassen, die Gleise rasch aus ihrem Bett gerissen und die Grundstücke verkauft.

Seither pendeln auf dem verbliebenen Stück zwei Secondhand-Triebwagen. Sie passieren Haltestellen, die manchmal gar keinen Bahnsteig haben, sodass die Einstiegshöhe bei etwa einem halben Meter liegt, was gerade für die umworbene Zielgruppe der Radfahrer eine ziemliche Herausforderung darstellt. Es sind diese Kleinigkeiten, die etwa bei der Pinzgaubahn unvorstellbar wären, wo Menschen arbeiten, denen ihr Betrieb am Herzen liegt, die ihre Bahn stets mit den Augen der Kunden sehen, auch um neue dazuzugewinnen.

In Österreich setzt sich zwar mehr und mehr der Servicegedanke im öffentlichen Verkehr durch. Weiterhin gibt es aber Gegenden, wo der Fahrgast immer noch "Beförderungsfall" ist. Dabei hätte zum Beispiel die Wachaubahn, wie der niederösterreichische Torso der Donauuferbahn heute heißt, durchaus das Zeug zur Attraktion. Andere Länder würden sich glücklich preisen, könnten sie ein derartiges Asset, malerisch am Fluss und zwischen Weinbergen gelegen, vermarkten. Die Strecke wäre wie geschaffen für regulären und nicht nur touristischen Betrieb, führt sie doch mitten durch die Ortschaften und ist bei Donau-Hochwasser der einzig intakte Verkehrsweg, wenn die Straße überschwemmt ist. Zudem ist der Zug trotz seiner relativ geringen Durchschnittsgeschwindigkeit schneller unterwegs als der weiterhin parallel fahrende Autobus. (Stefan May, 1.10.2022)