Sebastian Kurz (ÖVP) erschien demonstrativ gutgelaunt im U-Ausschuss. Gefährlich wurden ihm die Fragen dort nicht.

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Wir haben uns ja länger nicht gesehen", begrüßte Sebastian Kurz die zahlreichen anwesenden Medienleute am Mittwoch. Zumindest was die Abgeordneten der Opposition und Grünen betrifft, war das Wiedersehen aber kein besonders erfreuliches. Denn in den knapp fünf Stunden, die Kurz im U-Ausschuss verbrachte, fand für sie nur wenig Erhellung statt.

Im Lauf seiner Befragungen kristallisierten sich zwei Varianten heraus, wie Kurz antworten würde: Betraf die Wissbegier der Abgeordneten strafrechtliche Ermittlungen, kam es rasch zur Entschlagung. Befassten sich die Fragen der Opposition hingegen mit anderen Themen, verfiel Kurz in einen regelrechten Redeschwall.

So holte er auf die Frage, warum im türkis-blauen Sideletter zum Regierungsprogramm schon einzelne Postenbesetzungen namentlich festgelegt waren, weit aus: Das sei schon in früheren Regierungen so gewesen und werde auch in künftigen so sein; man brauche "Spielregeln" zwischen Koalitionspartnern und so weiter und so fort.

Als "Filibustern" bezeichnete das der rote Fraktionsführer Jan Krainer schon früh in der Befragung. Kurz wolle mit diesen ausschweifenden Antworten verhindern, dass alle Fraktionen an die Reihe kämen, und kritische Fragen hinauszögern. Die ÖVP nahm ihren Ex-Chef da gleich in Schutz, bei der Opposition wurden hingegen Erinnerungen an Kurz’ letzte Befragung wach, als nach Ablauf der Zeit nicht alle Fraktionen zu Wort gekommen waren. Spoiler: Das war auch dieses Mal der Fall, es traf FPÖ und Grüne – die einen neuerlichen Ladungseintrag eingebracht haben.

Stehungen und Wirrungen

Grundsätzlich ist es ja so: Die Fragezeit der Abgeordneten ist begrenzt, die Antwortzeit der Auskunftspersonen nicht. Deshalb kann ein Frageblock schon einmal mehr als zwei Stunden dauern, was am Mittwoch der Fall war. Da hatte die Neos-Fraktionschefin für ihre Fragen sieben Minuten Redezeit, Kurz antwortete jedoch auf jede kurze Frage mit minutenlangen Einlassungen.

Die Uhr tickte außerdem, weil die maximale Befragungszeit vier Stunden nicht überschreiten darf. De facto kann sie schon längern dauern, da sogenannte "Stehungen" nicht dazugezählt werden. Die werden einberufen, wenn sich mehrere Abgeordnete zur Geschäftsordnung äußern wollen, etwa bei umstrittenen Fragestellungen. Deshalb begann Kurz’ Auftritt um kurz nach zehn, endete aber erst wenige Minuten vor 16 Uhr.

Inhaltlich ergab sich aus Kurz’ Befragung nur wenig Neues; es war sein insgesamt vierter Auftritt in einem U-Ausschuss. Durch die Energiekrise und den Ukraine-Krieg haben die Abgeordneten nun ja das Thema OMV und Gaslieferungen für sich entdeckt; dazu meinte Kurz, er sei im Groben über das Gebaren der OMV informiert gewesen und hätte eingreifen können, wenn sich eine Schieflage ergeben hätte.

Prinzipiell sei Österreich aber schon bei seiner Geburt 1986 stark von russischem Gas abhängig gewesen, referierte der Altkanzler, der keine Fehler bei der OMV erkennen wollte. Dass er sich bei einer Vertragsunterzeichnung von Gazprom und OMV mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ablichten ließ, sei "nichts Außergewöhnliches".

Kurz sieht sich "entlastet"

Zufrieden zeigte sich Kurz auch mit dem Fortschritt in seinem Ermittlungsverfahren. Rund um den Vorwurf der Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss seien mehr als zwei Dutzend Zeugen befragt worden, meinte Kurz; aus seiner Sicht würden ihre Aussagen ihn entlasten. Dass man sehr schnell Beschuldigter werde und dann oft Verfahren eingestellt würden, belaste viele Betroffene sehr. Nicht alle hätte so ein gutes Einkommen, dass sie sich die Anwaltskosten leicht leisten können, extemporierte Kurz auf Fragen von ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger. Die SPÖ wollte einiges rund um Kurz’ Beziehung zu Immobilien-Milliardär René Benko erfahren, blitzte dabei aber am Langmut des Altkanzlers und am Verfahrensrichter ab, der Fragestellungen etwa zu Benkos Beteiligung an der Kronen Zeitung außerhalb des Untersuchungszeitraums verortete. Auch Fragen zu Interventionen für den Unternehmer Siegfried Wolf und dessen Geschäftspartner Oleg Deripaska rund um Russland-Sanktionen wurden – zum großen Ärger von Opposition und Grünen – nicht zugelassen. Kurz sei mit sich selbst "im Reinen", sagte er. Was er heute nicht mehr machen würde: den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid dafür loben, den Generalsekretär der Bischofskonferenz unter Druck gesetzt zu haben. Aber auch da solle man "Chats nicht für bare Münzen" nehmen, erklärte Kurz.

Nach dem Altkanzler war dann sein früherer ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior an der Reihe. Er ist noch Abgeordneter, beruflich nun aber bei ÖVP-Spender Klaus Ortner tätig.

Melchiors Anwalt Werner Suppan, zuvor schon für Kurz im Einsatz, brachte eine Anzeige rund um das "Projekt Ballhausplatz" mit, in der auch Melchior genannt wird. Deshalb stünden dem Politiker Entschlagungsrechte zu, argumentierte Suppan. Das wurde nach einer Geschäftsordnungsdebatte dann vom Verfahrensrichter akzeptiert.

Melchior schloss geldwerte Vorteile für die ÖVP durch Agenturen, die auch von ÖVP-Ministerien beauftragt wurden, aus. An Postenbesetzungen mochte er sich teilweise nicht erinnern, so wie Melchior insgesamt an teilweiser Amnesie litt. Welche Wahrnehmungen er zu Beinschab-Umfragen; zu Gesprächen mit Thomas Schmid über Umfragen; zu Handylöschungen vor der Hausdurchsuchung bei der ÖVP hatte? Keine Erinnerung. Aber: Er sei nicht so der Typ gewesen, der sich mit Umfragen beschäftigt habe.

Am Donnerstag werden dann zwei Beamte befragt, die mit der Vergabe von Corona-Hilfen an Vereine, also dem NPO-Fonds, zu tun hatten. Die ÖVP wittert hier eine Ungleichbehandlung ihrer nahestehenden Organisationen. (Fabian Schmid, Renate Graber, 28.9.2022)