850 Mitarbeiter der Bäckerei Mann versorgen 83 Filialen. Ihre Kosten für Energie werden sich 2023 im Vergleich zu 2019 auf 4,4 Millionen Euro vervierfachen.

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Wien – "Rosige Zeiten?" Michael Mann hält inne. "Ich kenne keine. Danach müssen Sie meinen Vater fragen." Mann ist Großbäcker in fünfter Generation. Seit vier Jahren führt er neben Kurt Mann das gleichnamige Traditionsunternehmen mit Sitz in Wien-Liesing.

Er habe sich lange Zeit nicht alt, erwachsen und gut genug gefühlt, um in die großen Fußstapfen des Vaters zu steigen, sagt Mann. Der Familienbetrieb sei das Lebenswerk seines Vaters. "Ich habe Angst gehabt, ihm nicht gerecht zu werden."

Heute sehe er das Unternehmen als einen Job, den er gern ausübe. Völlige Freiheit bei seinen Entscheidungen werde man als Juniorchef zwar nie haben. "Es wird über die Jahre jedoch einfacher, auf Augenhöhe miteinander zu reden."

Mann setzt mit gut 850 Mitarbeiter und 83 Filialen jährlich rund 60 Millionen Euro um. Diskussionsbedarf gibt es derzeit mehr denn je. Es ist vor allem die Explosion der Preise für Gas und Strom, die für aufgeheizte Stimmung in der österreichischen Backbranche führen.

Vier Millionen für Energie

1,2 Millionen Euro habe sein Unternehmen 2019 für Energie aufgewendet, rechnet Michael Mann vor. Für 2023 zeichneten sich 4,4 Millionen Euro ab. Die jüngsten Hilfen der Regierung seien hilfreich – ob diese einen tatsächlich aus der Krise reißen, werde sich erst weisen. Mann lässt keinen Zweifel daran, dass sich die Bäcker mehr erhofft hatten.

Einen Deckel auf Preise für Strom und Gas hätte es gebraucht, sagt er. Gewinne würden sich für sein Unternehmen kommendes Jahr wohl nicht ausgehen. Dieses habe zwar finanzielle Rücklagen und sei nicht in der Existenz gefährdet. Es könne aber nicht Sinn und Zweck sein, das Ersparte für Energie auszugeben.

Juniorchef Michael Mann: "Lebensmittel müssen leistbar bleiben."
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Mann erwartet weiteres Bäckersterben vor allem unter kleinen Betrieben, denn diese seien auf allen Linien von der Teuerung betroffen. Ein Drittel ihrer Kosten geht im Einkauf von Rohstoffen auf. Preise für Mehl hätten sich heuer auf 400 Euro die Tonne verdoppelt. Für Zucker seien 1000 statt 500 Euro pro Tonne zu bezahlen. Eier und Hefe verteuerten sich ebenso, zieht Mann Bilanz. Allein Nüsse verbilligten sich aus unerklärlichen Gründen.

Viele Preisentwicklungen seien letztlich rational nicht nachvollziehbar, sagt Mann. Als Produzent bleibe einem aber wenig anderes übrig, als die Rechnung zu bezahlen – und Lieferengpässe zu überbrücken. Auf manch Zahnriemen für die Produktion wartete er sechs Monate.

Wie er die 4,4 Millionen Euro für Strom und Gas stemmen wird, weiß Mann noch nicht. Er sei jedenfalls dazu gezwungen, geplante Investitionen ins Filialnetz aufzuschieben.

Gut die Hälfte der Kosten der Bäcker macht das Personal aus. Im Oktober stiegen die Mindestlöhne der Branche um 6,5 Prozent. An Mitarbeitern fehle es an allen Ecken und Enden. Er kenne keinen Betrieb, der genug Personal finde, sagt Mann. Seine Bäckerei behelfe sich in der Produktion mit Leiharbeitern.

Sensible Semmelpreise

Wie stark schlagen die Turbulenzen und Unsicherheiten auf die Preise für Brot und Gebäck durch? Bisher wurden diese einmal jährlich im Jänner erhöht. Im Oktober passt sie Mann nun ein zweites Mal an.

Zehn Prozent mehr wird er Kunden in den Filialen abverlangen. Um die Mehrkosten zu decken, bräuchte es aber noch deutlich mehr, meint Mann – 80 Cent etwa für eine Semmel statt bisher 40. Am Markt umsetzbar sei das nicht. "Denn Lebensmittel müssen leistbar sein." Konsumenten seien preissensibler geworden, griffen mitunter eher im Supermarkt zu einem Netz mit zehn Semmerln als diese beim Bäcker zu kaufen. Auf den kleinen Luxus einer Topfengolatsche verzichteten viele hoffentlich dennoch nicht.

An welchen Schrauben können Bäcker drehen, um die Ausgaben zu bremsen? Er habe als Kind vom sparsamen Vater gelernt, in der Dusche das Wasser während des Einseifens abzudrehen und alle Lichter beim Verlassen des Büros auszuschalten, sagt Mann lächelnd. In der Logistik könne er Fahrtouren verbessern, statt dreimal zweimal täglich liefern. Er reduziere heuer auch die Weihnachtsbeleuchtung.

In der Produktion sei es schwieriger. Kühler zu backen oder kürzer zu kühlen, spiele es nicht. Bietet es sich an, Brot und Gebäck zu gleichen Preisen zu verkleinern? Das sei weder für Kunden akzeptabel noch erlaube es ihm sein gutes Gewissen. (Verena Kainrath, 29.9.2022)