Es gibt Spekulationen, dass der Schaden in der Raffinerie Schwechat kein Zufall war.

APA / Roland Schlager

Das Aufsehen war groß, als im Juni bekannt wurde, dass es in der OMV-Raffinerie in Schwechat bei Wien einen Unfall gegeben hat. Vor allem, weil auch dessen Auswirkungen groß waren: Der Produktionsausfall in Österreichs einziger Raffinerie führte schnell zu Versorgungsengpässen, Diesel wurde an Tankstellen knapp. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) ließ zur Überbrückung Treibstoff aus den strategischen Reserven des Bundes freigeben, die Spritpreise erhöhten sich im europäischen Vergleich enorm.

Manche vermuteten bereits im Juni einen Sabotageakt. Wie "Kurier" und "Krone" zuletzt berichteten, bestehe der konkrete Verdacht, dass der Angriff von Russland kam, das derartige Akte als Teil einer "hybriden Kriegsführung" einsetzen könnte. Gleich im Juni wurde auch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) mit Erhebungen aktiv, wie das Innenministerium dem STANDARD am Donnerstag bestätigte. Aus der technischen Überprüfung durch die OMV hätten sich für die DSN bislang keine konkreten Hinweise auf Sabotage ergeben. Die Untersuchungen sind allerdings noch nicht abgeschlossen.

Der Sabotageverdacht wurde im Laufe des Donnerstags aber immer schwächer und die Zweifel an einer Vorsatztat immer stärker. Hatte am Morgen noch Kanzlersprecher Daniel Kosak den "Krone"-Artikel getwittert, verschwand das Posting nach einigen Stunden. Bei Behörden reagierte man mitunter verwundert über die Spekulationen eines absichtlich herbeigeführten Unfalls. Es gebe "null Hinweise" darauf, hieß es aus Sicherheitskreisen gegenüber dem STANDARD, allerdings halte man sehr wohl die Augen offen.

Die OMV selbst hatte in Zusammenhang mit dem Vorfall am 3. Juni, bei dem die Hauptdestillationsanlage im Zuge einer Druckprüfung schwer beschädigt wurde, in der Öffentlichkeit stets von einem Unfall gesprochen. Konzernsprecher Andreas Rinofer verwies am Donnerstag neuerlich darauf, dass es keinerlei Hinweise auf Sabotage gebe. Laut "Kurier"-Bericht würden allerdings auch OMV-Manager die reine Unfallthese anzweifeln. Gegenüber dem STANDARD war aus informierten Kreisen aber auch von komplizierten internen Konflikten in der OMV die Rede, die für das Nähren von Spekulationen eine Rolle gespielt haben könnten.

Geheimdienstexperte: "Würde gut zur Strategie Russlands passen"

Sollte es sich tatsächlich um einen Sabotageakt gehandelt haben, dann war er jedenfalls – aus Sicht Russlands – ein voller Erfolg. Er löste "die größte Krise in der Geschichte der Raffinerie Schwechat" aus, hatte eine OMV-Vertreterin in einer Anhörung vor dem Parlament Anfang Juli ausgeführt. "Aus Sicht der OMV" könne sie sich "keinen größeren Ernstfall vorstellen als den Schaden an der Anlage", zitiert die Website des Parlaments die Mitarbeiterin.

Ein Sabotageangriff würde "jedenfalls gut zur Strategie der hybriden Kriegsführung Russlands passen, wie wir sie bisher erlebt haben", sagt Thomas Riegler, Historiker und Geheimdienstexperte, dem STANDARD. "Die Intention könnte sein, es einzelnen EU-Staaten mit gezielten Aktionen schwerzumachen, sodass die EU-Front gegenüber Russland insgesamt zu bröckeln beginnt."

Verdächtiger Zeitpunkt

Was auf Sabotage hindeutet, ist zunächst der verdächtige Zeitpunkt. Der Vorfall ereignete sich ausgerechnet am Tag einer aufsehenerregenden OMV-Hauptversammlung – jener, bei der die OMV-Aktionäre dem ehemaligen Vorstandschef Rainer Seele die Entlastung verweigerten. Seele steht wegen seiner Russland-Verbindungen in der Kritik.

Weiters wären da eine Reihe ähnlicher Vorfälle bei anderen Raffinerien in den Staaten des Westens. In Deutschland, Belgien und den Niederlanden fanden im Februar Cyberangriffe auf Anlagen statt. Außerdem kam es am 9. Juni – nur Tage nach dem Vorfall in Schwechat – zu einer folgenschweren Explosion in einer Anlage zur Produktion von Flüssigerdgas (LNG) nahe der Stadt Houston im US-Bundesstaat Texas.

USB-Stick reicht zur Sabotage

Mittlerweile wird menschliches Versagen als Ursache für den texanischen Unfall angenommen, aber auch hier gibt es Spekulationen in Richtung Sabotage. Er lag zeitlich ähnlich ungünstig wie jener in Schwechat: gerade als die internationale Nachfrage nach LNG rasant stieg. Auch die Ursache war ähnlich wie beim Vorfall in Österreich: zu viel Druck, der sich aufbaut, weil Ventile schadhaft sind beziehungsweise die dazugehörigen Kontrollsysteme versagen.

Will man diesen Fall absichtlich herbeiführen, reicht ein USB-Stick, den beispielsweise ein Mitarbeiter ins Computersystem einer Anlage stecken könnte. Die Schadsoftware führt dann dazu, dass die elektronischen Warnsysteme nicht anspringen und den Überdruck anzeigen. Wartungsarbeiten eignen sich prinzipiell gut für solch eine Aktion: Sie sind aufwendig und personalintensiv; es treiben sich also wochenlang jede Menge Mitarbeiter, ob aus dem eigenen Konzern oder von Fremdfirmen, auf einem Betriebsgelände herum. (Joseph Gepp, Martin Tschiderer, 29.9.2022)