"Mit der ÖVP wird es keine Gesetzesänderung zur Streichung des Lobautunnels geben", konstatierte der türkise Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger. Eine türkis-grüne Regierungsmehrheit für das Vorhaben Gewesslers ist damit vom Tisch.

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Wien – Ende des Vorjahres gab Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) bekannt, dass das Milliardenprojekt Lobautunnel aus Klimaschutzgründen "nicht weiterverfolgt" wird. In weiterer Folge wurde das Vorhaben trotz jahrzehntelanger Vorarbeiten aus dem Asfinag-Straßenbauprogramm für 2022 entfernt. Im Bundesstraßengesetz ist die geplante S1-Nordostumfahrung aber weiterhin angeführt.

Diese Gesetzespassage möchte Gewessler nun aber ändern. Sie kündigte an, eine sogenannte "Strategische Prüfung Verkehr" einzuleiten, um in weiterer Folge die S1-Verlängerung samt Lobautunnel aus dem Bundesstraßengesetz streichen zu können. Die Prüfung dauere rund zwei Jahre – also bis Ende 2024. In diesem Jahr wären auch die nächsten regulären Nationalratswahlen vorgesehen: Ob die Prüfung zuvor noch abgeschlossen werden kann, ist offen. Für die Gesetzesänderung wäre jedenfalls eine Mehrheit im Parlament notwendig. Diese zeichnet sich derzeit aber in keiner Weise ab – auch nicht in der aktuellen türkis-grünen Bundesregierung.

Die Pressekonferenz Gewesslers am Donnerstagvormittag war noch keine 30 Minuten vorbei, da meldete sich die Kanzlerpartei ÖVP in einer Aussendung zu Wort: "Mit uns als Volkspartei wird es keine Gesetzesänderung zur Streichung des Lobautunnels geben", reagierte der türkise Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger. Er bezeichnete den Vorstoß als "Alleingang von Ministerin Gewessler", der "inakzeptabel" sei. Im Vorfeld von Gewesslers Ankündigung habe es keine Gespräche "weder auf parlamentarischer noch auf Regierungsebene" gegeben. Die Diskussion darüber sei für die ÖVP "beendet", sagte Ottenschläger.

Keine Gespräche Gewesslers mit Wien und Niederösterreich

Gewessler hatte zuvor ihre Ansicht bekräftigt, dass man in Zeiten der Klimakrise nicht auf klimaschädliche Straßenbauprojekte beharren könne. "Diese Erkenntnis ist sicher nicht einfach." Es gebe bessere Alternativen statt des Lobautunnels. Die Stadt Wien und das Land Niederösterreich hätten aber bisher mehrfach angebotene Gespräche über gemeinsame Planungen mit dem Bund nicht wahrgenommen.

Das Projekt Lobautunnel ist derzeit gestoppt und findet sich auch nicht mehr im aktuellen Asfinag-Bauprogramm. Im Bundesstraßengesetz ist die S1-Verlängerung aber weiterhin angeführt.
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Im Auftrag des Verkehrsministeriums wurde von Autor Günter Emberger von der TU Wien eine Studie erstellt. Diese habe laut Emberger ergeben, dass schon die Umsetzung der von der Stadt Wien selbst gesetzten Klimaziele zu einer deutlichen Verkehrsentlastung führen würden. So will die Stadt bis 2030 die CO2-Emissionen im Mobilitätssektor um 50 Prozent (im Vergleich zu 2005) senken. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs im Modal Split soll von aktuell 26 Prozent auf 15 Prozent verringert werden. Der Bau einer höherrangigen Straße wie die S1-Nordostumfahrung sei hingegen kontraproduktiv.

Die Öffi-Ausbaupläne der Stadt (etwa die Verlängerung der Straßenbahn 25 in der Donaustadt sowie weitere Buslinien) reichen laut Emberger im Wesentlichen aus, um die Ziele zu erreichen. Eine deutliche Verbesserung sei aber etwa noch bei der S80 notwendig.

Sima kritisierte Gewessler für "Pseudoprüfung"

Heftige Kritik am Vorgehen Gewesslers kam neben der ÖVP auch von der Wiener SPÖ. Verkehrsstadträtin Ulli Sima warf der Verkehrsministerin vor, mit ihrer "Pseudoprüfung des bereits bestgeprüften Infrastrukturprojekts Österreichs" auf Zeit zu spielen. Aktuell würden weiterhin mehr als 230.000 Pkws pro Tag und pro Jahr 900.000 Transit-Lkws über die Tangente "donnern". Sima kritisierte auch, dass es keine Lösungsansätze gebe. Das Projekt S1 samt Lobautunnel sei seit mehr als 20 Jahren umfassend geprüft worden. Die Bauarbeiten für den Nordteil des Straßenprojekts – noch ohne Lobautunnel – "hätten bereits heuer anlaufen sollen", hieß es laut Sima.

Freiheitlicher Mahdalik bezeichnet Ministerin indirekt als "Wahnsinnige"

Anton Mahdalik, der Verkehrssprecher der Wiener FPÖ, reagierte ebenfalls verärgert: "Wie lange lässt die ÖVP diese Wahnsinnige noch fuhrwerken?" titelten die Freiheitlichen eine Aussendung Mahdaliks. Der Verkehrssprecher sprach zudem von "dumpfgrünen Ideologiespielchen".

Umweltorganisationen wie Greenpeace oder Virus zeigten sich hingegen erfreut über Gewesslers Ankündigung. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) meinte ebenfalls: "Für den Bau der Lobau-Autobahn gibt es aus Verkehrssicht keinen Bedarf." (David Krutzler, 29.9.2022)