Es handelt sich um eine Entfernung wie die Strecke zwischen Wien und Villach: 358 Kilometer sind es exakt. So nahe kam die Nasa-Sonde Juno dem Jupitermond Europa Donnerstagmorgen. Es ist die größte Annäherung einer Raumsonde an den Eismond seit der Esa-Sonde Galileo im Jahr 2000. Damals entstanden spektakuläre Bilder, und die US-Weltraumagentur Nasa hat bereits bekanntgegeben, dass auch diesmal Aufnahmen gemacht wurden.

Erste Bilder von Europa, aufgenommen von Juno beim Vorbeiflug am Donnerstagmorgen. (Lizenz: Creative Commons, Attribution 3.0 Unported (CC BY 3.0))
Foto: NASA/JPL-Caltech/SwRI/MSSS/Thomas Thomopoulos

Europa ist für die Forschenden von besonderem Interesse: Unter dem Panzer aus Wassereis, der den kleinsten der einst von Galilei entdeckten Monde umgibt, wird ein flüssiger Ozean vermutet. Dieser soll gemäßigte Temperaturen bieten, die Leben möglich machen. Licht zum Betreiben von Photosynthese ist zwar nicht zu erwarten, aber autarke Ökosysteme wie die der Black Smoker in der Tiefsee wären durchaus möglich.

Die eisige Oberfläche des Jupitermonds Europa, wie ihn die Esa-Sonde Galileo sah. Galileo absolvierte mehrere Vorbeiflüge an Europa. Die größte Annäherung wird nun von der Nasa-Sonde Juno mit 358 Kilometern Distanz fast egalisiert.
Foto: WHA UnitedArchivesWHA_977TH

18 bis 30 Kilometer dick soll das Eis sein. Einen Blick ins Innere wünschen sich wohl viele, doch eine Landung auf dem Mond steht bislang in den Sternen, von einer Bohrung ins Innere ganz abgesehen.

Fontänen aus Wasser

Zu Hilfe kommt der Wissenschaft ein sonderbarer Effekt: Europa stößt offenbar von Zeit zu Zeit Wasser aus. Womöglich ist das Anbohren des Monds also gar nicht nötig. Herleiten ließ sich ihre Existenz aus Daten von Galileo, die sowohl Magnetfeldänderungen als auch einen Mangel an eigentlich im All reichlich vorhandenen Protonen messen konnte. Die plausibelste Erklärung dafür ist eine Störung des Magnetfelds durch Wasserfontänen, die durch Kryovulkanismus verursacht werden. Zur Untersuchung dieses Effekts soll nächstes Jahr die europäische Raumsonde Juice zu Europa aufbrechen. Die Nasa plant für 2024 ebenfalls den Start einer eigenen Sonde zum Jupitermond, die Europa Clipper heißen wird. Doch auch Juno könnte mit etwas Glück mehr Hinweise auf die mysteriösen Fontänen liefern, hofft man bei der Nasa.

Juno ist mit einer Geschwindigkeit von 24 Kilometern pro Sekunde am Mond vorbeigerauscht, was eine große technische Herausforderung für die Messungen darstellte, und hatte auf seiner Route einen neuen Blickwinkel auf Europa, den Galileo noch nicht in hoher Auflösung dokumentierte.

Die Bahn von Juno: Nach Europa ist Io das nächste Ziel der Sonde.
Foto: NASA/JPL-Caltech/SwRI

Dicke des Eispanzers messen

Auf ihrem Flug hat Juno ab einer Entfernung von etwa 83.000 Kilometern begonnen, Daten zu sammeln. Auf der Nachtseite des Planeten hat die Navigationskamera von Juno plangemäß ein Schwarzweißfoto des Mondes aufgenommen, nur mit dem Licht, das vom Jupiter reflektiert wird. Das hat bereits bei Ganymed funktioniert. Auf Europas Tagseite hat die Farbkamera Juno-Cam eine Reihe von Farbfotos mit einer Auflösung von einem Pixel pro Kilometer aufgenommen. Erste Bilder sind bereits eingetroffen und lassen auf weitere spektakuläre Aufnahmen hoffen.

Zuvor besuchte Juno bereits den Jupitermond Ganymed.
NASA

Besonders spannend werden die Ergebnisse des Radiometers, das Mikrowellenstrahlung aufnimmt. Damit soll es möglich sein, die Dicke des Eispanzers zu ermitteln. Die ersten Daten werden bereits im Lauf des Donnerstags erwartet.

Die Forschenden spekulieren bei dem Vorbeiflug auch auf etwas Glück: Im Gegensatz zu Galileo wird Juno Europa nur ein einziges Mal passieren. Die Wahrscheinlichkeit, dabei eine der Wasserfontänen zu beobachten, sei zwar gering, wie es heißt – man wisse nicht, ob es sich um konstante Ströme oder ein vergängliches Phänomen handelt. Aber wenn doch eine Aufnahme einer der Fontänen gelingt, lässt sich das Rätsel um den Effekt womöglich lösen. "Wir haben die richtige Ausrüstung, aber um eine Wolke einzufangen, ist viel Glück erforderlich", sagt der Leiter des Juno-Projekts Scott Bolton. "Wir müssen genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, aber wenn wir so viel Glück haben, ist es sicher ein Homerun." Und selbst wenn das misslingt, wird Juno wertvolle Informationen für die Nasa-Folgemission Europa Clipper liefern, ist Bolton überzeugt.

Eine Aufnahme von Jupiter, die Juno im Jahr 2018 aus etwa 7.000 Kilometern Entfernung machte.
Foto: imago images/UPI Photo/NASA

Juno ist 2011 gestartet und sollte den Jupiter beobachten. Dabei machte sie außergewöhnliche Aufnahmen von dessen turbulenter Atmosphäre. Normalerweise werden Sonden in dieser Entfernung zur Sonne nuklear betrieben. Doch Juno bezieht Energie aus Solarzellen, was Einfluss auf die Planung der Bahn hatte, die immer freie Sicht auf die Sonne ermöglichen soll. Die Entscheidung, neben Jupiter auch die Monde zu untersuchen, fiel erst 2021. Bis 2025 soll die Mission nun maximal weiterlaufen. Als Nächstes ist ein Besuch beim Jupitermond Io geplant. (Reinhard Kleindl, 29.9.2022)