Torschützin Mateja Zver verliert sich nach dem Treffer zum 2:2 in der Jubeltraube der Mitspielerinnen und des Betreuerstabs.

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Jasmin Eder ist Erfolg auf nationaler Ebene gewohnt. International erfüllte sich ein Kindheitstraum.

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St. Pölten – Maria Mikolajovas Freistoß war eigentlich nicht optimal. Die Slowakin zirkelt ihn von rechts in den Strafraum: nur irgendwie Gefahr erzeugen, nur irgendwie den Ball noch vor das Tor von KuPS Kuopio bringen. St. Pölten, NV-Arena, Mittwochabend: Die entscheidende Partie um den Einzug in die Champions League dauerte schon 118 Minuten. St. Pölten, Österreichs Serienmeister, hatte das Hinspiel in Finnland eine Woche zuvor mit 1:0 durch ein Traumtor der Slowenin Mateja Zver gewonnen. Ein Remis sollte also für den Aufstieg reichen.

In St. Pölten war das an diesem Abend schon Schnee von vorgestern. Auch im Rückspiel hatte Zver St. Pölten in Führung (6. Minute) gebracht, ehe die Gäste aus Finnland die Partie, also St. Pölten durch zwei Tore (Hartikainen 28., Kröger, 31.), in die Verlängerung zwangen.

St. Pöltens Kapitänin Jasmin Eder hatte ein "Kribbeln im Bauch", sagte sie am Tag danach dem STANDARD. Die 29-Jährige ist ein St. Pöltener Urgestein, spielt seit 2013 für den Verein: "Es war unglaublich, wie sich die Mädels reingeworfen haben." Als Mikolajovas Freistoß nicht ganz optimal zur ersten Stange flog, saß Eder bereits auf der Bank. Eingewickelt in einen dicken, dunklen Mantel, ausgewechselt zur Halbzeit der Verlängerung. Verlängerungen sind im Fußball ein Maus-und-Maus-Spiel, es ist ein Abwiegen zwischen Risiko und Sicherheit, wobei die Sicherheit überwiegt.

In der 118. Minute rechnen fast alle damit, dass der Einzug in die Gruppenphase vom Elfmeterpunkt entschieden werden würde. Mikolajovas Freistoß wird geklärt, kommt aber über Umwege vor, ja genau, Mateja Zver. Die slowenische Teamspielerin ist immer wieder für besondere und geniale und auch besonders geniale Momente verantwortlich.

Aufwertung

In der 118. Minute am Mittwochabend in St. Pölten nimmt sie den Ball volley, er fliegt zielgerichtet in hohem Bogen Richtung Tor, senkt sich via Innenstange ins Netz. Traumtor, keine Frage. Zver dreht ab und verliert sich in der Jubeltraube der Mitspielerinnen.

Mit dem 2:2 qualifizierte sich St. Pölten erstmals für die Gruppenphase der UWCL, der Champions League der Frauen. Diese hatte vergangenes Jahr eine Umstrukturierung, also Aufwertung, erhalten. Anstatt direkt in eine K.-o.-Phase zu gehen, wird wie bei den Männern vorab eine klassische Gruppenphase gespielt.

Das sorgte für mehr Topduelle unter den Topteams, mehr Attraktivität und auch höhere Startprämien. Mit dem Einzug darf sich St. Pölten über 400.000 Euro Antrittsgeld freuen. Darüber hinaus winken Duelle mit der Crème de la Crème des europäischen Klubfußballs, etwa Barcelona oder Lyon. Für Eder geht ein Traum in Erfüllung: "Die ganze Arbeit, die ganzen Niederlagen haben sich endlich ausgezahlt. Ein Kindheitstraum." Auch St. Pöltens Präsident Wilfried Schmaus spricht von einem "Meilenstein."

Apropos Aufwertung und Attraktivität: Die Euro in England im Sommer brach in puncto Aufmerksamkeit Rekorde, vor Ort und vor den TV-Geräten. Auch die siegreichen Engländerinnen sprachen von einem Meilenstein für den Fußball. Man erhoffte sich Nachhaltigkeit nach einem punktuellen Hype.

Verspätung

In manchen Ländern ist es aufgegangen. Das Eröffnungsspiel der deutschen Liga zwischen Frankfurt und den Bayern sahen 23.300 Fans live, beim Londoner Derby zwischen Arsenal und Tottenham waren gar knapp 48.000.

In St. Pölten kamen nur 1070 Fans. Eder sieht das gelassen: "Man kann die großen Ligen nicht mit Österreich vergleichen." Die Mittelfeldspielerin ortet eine gewisse Gemütlichkeit. Und die Abhängigkeit von Erfolgserlebnissen: "Ich kenne das aus dem Nationalteam." Natürlich gebe es aber bei Marketing und Werbung noch "Luft nach oben". Aus sportlicher Sicht haben sowohl das ÖFB-Team als auch St. Pölten die Weichen gestellt. Jetzt gilt es, den Zug auch nicht zu verpassen. (Andreas Hagenauer, 29.9.2022)