Die Kontrollen sind am Donnerstag angelaufen, 200 Beamte sind dafür im Einsatz (im Bild Grenzübergang in Berg in Niederösterreich).

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Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bemühte sich zu kalmieren. Kein Pendler, keine Pendlerin werde an der österreichisch-slowakischen Grenze viel Zeit verlieren, versicherte er am Mittwoch. Das Objekt der Kontrollbegierde seien letztlich "weiße Kastenwägen". Doch das nützte wenig. Sowohl die Opposition als auch sein slowakischer Amtskollege sind ob der seit Donnerstag geltenden Grenzkontrollen verstimmt.

Frage: Wie kam es zu den neuen Grenzkontrollen?

Antwort: Es war eine Art Kettenreaktion. Am Montag verkündete Tschechien, seine Grenzen zur Slowakei wegen erhöhten Schleppervorkommens zu kontrollieren. Am Mittwoch zog Österreich nach. Seit Donnerstag bewachen beide Länder ihre Grenzen zum östlichen Nachbarland. In Tschechien wurden laut Fremdenpolizei in nur acht Stunden 230 Migranten und sieben Schlepper angehalten.

Frage: Wie begründet Karner diesen Schritt für Österreich?

Antwort: Mit potenziellen "Ausweichrouten" der Schlepper und dem derzeit "hohen Migrationsdruck". Von Jänner bis Ende August 2022 haben in Österreich 56.149 Menschen um Asyl angesucht.

Frage: Was können die Grenzkontrollen bewirken?

Antwort: Gegen Schlepper könnten sie ein geeignetes Mittel sein, sagte Migrationsforscherin Julia Mourão Permoser am Mittwoch in der "ZiB Nacht" auf ORF. Durch die Kontrollen könnte es aber auch zu zusätzlichen Asylanträgen kommen. Damit rechnet auch Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination. Ein Sprecher Karners sieht das nicht anders. "Das muss man in Kauf nehmen", sagt er.

Frage: Wie zugespitzt ist die aktuelle Lage?

Antwort: Zwar ist Zahl an Asylanträgen sehr hoch. Aber viele, die hier ankommen – zuletzt häufig Inder –, wollen gar nicht bleiben und ziehen rasch weiter. Darauf lassen auch die Zahlen der Asylgrundversorgung schließen, die größte Gruppe der Bezieher bilden derzeit Ukrainerinnen. Allerdings beklagen die Stadt Wien und NGOs, dass viele Bundesländer ihren Unterbringungspflichten nicht nachkommen.

Frage: Seit wann wird an den österreichischen Grenzen kontrolliert?

Antwort: Bereits seit Jahren, und zwar an der slowenischen und ungarischen Grenze. In diesem Jahr kam es dort vermehrt zu Aufgriffen. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sprach zuletzt von 2.000 bis 3.000 Flüchtlingen, die im Burgenland ankommen.

Frage: Wie lange sind die neuen Kontrollen an der slowakischen Grenze in Kraft?

Antwort: Zunächst zehn Tage. Sie können dann weiter verlängert werden, bis auf höchstens sechs Monate, sagt Europarechtler Walter Obwexer im STANDARD-Gespräch. Ihre Grundlage ist eine Ausnahme im Schengener Grenzkodex. Falls die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ernsthaft bedroht sind, kann ein Land Grenzkontrollen erlassen. Das sei nun der Fall, meint Obwexer: "Die jetzigen Kontrollen zur Slowakei sind in meinen Augen legitim."

Frage: Ist das unter Fachleuten unumstritten?

Antwort: Nein. "Die Kontrollen waren seit 2017 rechtswidrig und sind es immer noch", verweist Europarechtler Stefan Salomon im Standard-Gespräch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom heurigen April, welches die Grenzkontrollen klar als gesetzeswidrig einstufte. Bislang blieb das Urteil aber folgenlos. Österreich hat seit 2015 die Kontrollen stets verlängert. Anfang November läuft die sechsmonatige Frist für die Kontrollen an den Grenzen zu Ungarn und Slowenien aus, sofern das Ministerium keine neue Begründung für ihre Fortsetzung liefert. (Elisa Tomaselli, Irene Brickner, 29.9.2022)