Energieminister und -ministerinnen der EU verhandeln bei einer Krisensitzung Ende Juli über die Rationierung von Erdgas in diesem Winter.

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Verbindlich ist noch nichts, die Anreize sollen es richten: Damit Unternehmen in Österreich den am Mittwoch vorgestellten Energiekostenzuschuss bekommen, müssen sie einige Auflagen erfüllen. Etwa darf es keine Außenbeheizung geben, Außentüren von Geschäften dürfen nicht offen stehen bleiben, und die Beleuchtung muss in der Nacht abgeschaltet werden. Allein mit der Beleuchtung, so rechnet das Klimaschutzministerium, könnten rund 260 Gigawattstunden eingespart werden. Das entspreche dem Verbrauch von etwa 74.000 Haushalten.

Unternehmen, die sich an die Auflagen halten und Energiekosten schultern, die zumindest drei Prozent des Umsatzes ausmachen, werden bezuschusst. Insgesamt verteilt die Regierung 1,3 Milliarden Euro.

Die Auflagen für das Geld klingen ähnlich wie die Energiesparpläne anderer EU-Staaten. Das erste Land mit einem solchen Plan war Spanien: Dessen Regierung beschloss bereits Anfang August, dass etwa öffentliche Gebäude und Büros auf nur 27 Grad heruntergekühlt werden – und im Winter höchstens auf 19 Grad geheizt werden dürfen. Und auch hier müssen die Türen möglichst geschlossen bleiben, damit wenig Energie entweicht. Im Unterschied zu Österreich sind die Auflagen dort allerdings verbindlich.

Dabei gilt es, dasselbe Ziel zu erreichen: Jeder EU-Mitgliedsstaat soll zwischen August und März nächsten Jahres um mindestens 15 Prozent weniger fossiles Gas verbrennen als im Durchschnitt der vergangenen fünf Winter. Darauf einigten sich die Energieministerinnen und -minister bereits Ende Juli. Das Ziel ist zunächst unverbindlich. Erst im Fall, dass die EU-Staaten einen "Unionsalarm" zur Versorgungssicherheit ausrufen, würde es verpflichtend.

Agora Energiewende: Höheres Einsparziel nötig

Jetzt, da kaum noch Erdgas aus Russland kommt und die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines die baldige Wiederaufnahme der Lieferungen äußerst unwahrscheinlich macht: Könnte dieser Alarm bald kommen? Wird das Energiesparziel der EU damit in absehbarer Zeit verbindlich?

"Das wird jetzt vor allem davon abhängen, ob die bisherigen Einsparungen ausreichen, um durch den Winter zu kommen", erklärt Matthias Buck, Direktor für Europapolitik beim deutschen Thinktank Agora Energiewende. Auch wenn der Füllstand der Gasspeicher in Europa aktuell bei 88 Prozent liege, müsse weiter Energie gespart werden, um ohne Rationierungen durch den Winter zu kommen.

Agora Energiewende kalkuliert allerdings, dass es auf EU-Ebene zumindest ein Einsparziel von 20 Prozent braucht. Das 15 Prozent Ziel sei zu niedrig angesetzt und beinhalte zahlreiche Ausnahmen. Deshalb sei zu erwarten, dass die tatsächliche Einsparung geringer als 15 Prozent ausfalle.

Laut dem EU-Plan müssen die Mitgliedsstaaten über die kommenden Monate hinweg Rücksprache mit der Kommission zu ihren Einsparmaßnahmen halten.

Reform der Effizienzrichtlinie in Verhandlung

Parallel zu den Notfallplänen schmiedet die EU derzeit auch ein Gesetz, das das Energiesparen langfristig zur Devise macht. Dazu schlug die Kommission im Sommer 2021 die Reform der Energieeffizienzrichtlinie vor. Den Entwurf präsentierte sie als Teil ihres großen "Fit for 55"-Gesetzespakets, mit dem die Kommission die Gesetzgebung an das neue Klimaziel für 2030 anpassen möchte – bis dahin sollen die Emissionen um mindestens 55 Prozent fallen.

Um das zu erreichen, müsse eine höhere Energieeffizienz Priorität bekommen, erklärte die Kommission damals. Alle EU-Staaten sollten ihren Energieverbrauch bis 2030 im Vergleich zu 2020 verbindlich um neun Prozent senken. Aufgrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine, erhöhte die Kommission dieses Ziel im Mai 2020 in ihrem sogenannten REPowerEU-Plan dann auf 13 Prozent.

Die Energieeffizienzrichtlinie beinhaltet jedoch keine kurzfristigen Maßnahmen, die durch diesen Winter helfen – sie wird frühestens 2023 beschlossen werden. Dann müssen sie alle Mitgliedstaaten in nationales Recht übersetzen.

Kommission mahnt Österreich: Richtlinie nicht umgesetzt

Spätestens dann müsste Österreich ein neues Energieeffizienzgesetz beschließen. Bislang scheiterte die türkis-grüne Koalition daran, sich auf eine Regelung zu einigen. Und vielmehr noch: Auch die derzeit gültige EU-Effizienzrichtlinie, die seit 2018 in Kraft ist, habe Österreich nicht vollständig umgesetzt, ließ die Kommission am Donnerstag wissen.

Eigentlich mussten die Mitgliedstaaten die Richtlinie, wie im EU-Gesetzgebungsverfahren üblich, innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht gießen. Die Frist endete im Oktober 2020. Österreich – genauso wie Slowenien – blieb säumig, wie die Kommission im November vor zwei Jahren feststellte.

Da die Länder bis heute nicht nachgebessert haben, beschloss die Kommission, ein weiteres sogenanntes Aufforderungsschreiben an die beiden Regierungen zu verschicken. Sie haben nun zwei Monate Zeit, um zu reagieren. Danach kann die Kommission den Fall zum Gerichtshof der Europäischen Union tragen.

Beratungen zu Strompreisen

Nicht nur in Österreich, auch in den anderen Mitgliedstaaten dürfte in Sachen Energieeffizienz einiges in Bewegung kommen: Die fossile Energiekrise verleihe den jetzt in Brüssel laufenden Verhandlungen Nachdruck, sagt Buck von Agora Energiewende. "Energieeffizienz war lange das Stiefkind in der Klimapolitik. Jetzt muss sie vor allem im Gebäudesektor dringend auf breiter Basis umgesetzt werden", so Buck. Über Wärmepumpen als Alternative zu fossilen Heizungen, zum Beispiel, werde mittlerweile nicht mehr nur in Expertenkreisen, sondern in der breiten Bevölkerung diskutiert.

Dazu, wie Haushalte und Unternehmen bei den Umstellungen unterstützt werden und die Strompreise gesenkt werden können, verhandeln am Freitag auch die Energieministerinnen und -minister. Außerdem wird es darum gehen, wie weit die Staaten beim Energiesparen bisher gekommen sind.

Wie Österreich mit seinen Maßnahmen abschneidet? Aus derzeitiger Sicht sei das Einsparungsziel für Erdgas von 15 Prozent realistisch, heißt es dazu aus dem Klimaministerium.

Fragt sich noch, ob das reichen wird – und das hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie kalt und lang der Winter wird. (Alicia Prager, 30.9.2022)