Eine gewisse Konsequenz ist der grünen Verkehrsministerin Leonore Gewessler beim umstrittenen Thema Lobautunnel nicht abzusprechen. Gegen massive Kritik auch des eigenen türkisen Koalitionspartners hat sie Ende des vergangenen Jahres durchgesetzt, dass das Milliardenprojekt aus Klimaschutzgründen vorerst auf Eis gelegt wird. Nun kündigte Gewessler an, auch das Bundesstraßengesetz ändern zu wollen, in dem die Wiener S1-Nordostumfahrung nach wie vor angeführt ist. Dafür braucht es freilich eine Mehrheit im Parlament. Und diese ist weit und breit nicht in Sicht.

Das Milliardenprojekt wurde aus Klimaschutzgründen vorerst auf Eis gelegt.
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Dass dieses Unterfangen mit der aktuellen türkis-grünen Regierung nicht umsetzbar ist, weiß Gewessler. Die Ankündigung ist reine Symbolik und soll vor allem die Reihen im grünen Lager schließen. Gewessler gewinnt mit der Ankündigung aber auch Zeit: Das Ergebnis einer strategischen Verkehrsprüfung des S1-Projekts soll erst in rund zwei Jahren feststehen. Spätestens im Herbst 2024 sollen regulär auch die nächsten Nationalratswahlen stattfinden: Den Konfliktstoff Lobautunnel hat Gewessler damit geschickt an die nächste Bundesregierung delegiert – wie auch immer diese aussehen mag.

Politisch gesehen ist das durchaus eine Leistung: Immerhin sprechen sich ÖVP, SPÖ sowie FPÖ – und damit eine große Mehrheit – für den Tunnel aus. Was Gewessler aber anzukreiden ist: Nach wie vor gibt es keine Alternativpläne, wie der Verkehr ohne S1-Umfahrung in der massiv wachsenden Donaustadt bewältigt werden kann.

Die Ministerin schafft es nicht, Wien und Niederösterreich an einen Tisch zu bringen und über nötige Öffi-Ausbaupläne zu verhandeln. Nach wie vor fehlen auch Pläne für den S1-Nordteil sowie die S1-Anbindung zur Seestadt Aspern, die der Bund errichten muss. Ohne Lobautunnel würde die S1-Spange von der Seestadt nach derzeitigen Plänen im Nirgendwo enden. (David Krutzler, 29.9.2022)