Verwehrt sich gegen tierische Vergleiche: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan.

Foto: AFP / Adem Altan

Köln/Berlin – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat über einen Kölner Rechtsanwalt Strafanzeige gegen den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki wegen Beleidigung gestellt. Der Anwalt Mustafa Kaplan sagte der Deutschen Presse-Agentur, er habe im Namen Erdoğans bei der Staatsanwaltschaft in Hildesheim Strafanzeige wegen Beleidigung und Verleumdung eingebracht. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" darüber berichtet. Kubicki hatte Erdoğan als "kleine Kanalratte" bezeichnet.

"Angriff auf die Ehre einer Person"

Der FDP-Vize und Vizepräsident des Deutschen Bundestags sagte auf dpa-Anfrage, er sehe einem möglichen Rechtsstreit mit Erdoğan sorglos entgegen. Laut "Spiegel" heißt es in dem Schreiben Kaplans an die Staatsanwaltschaft, die Äußerung Kubickis sei geeignet, die betroffene Person "verächtlich zu machen". Es handle sich um einen "rechtswidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person". Der Bericht des Magazins treffe zu, bestätigte Kaplan. Wegen der Äußerung Kubickis hatte Ankara bereits den deutschen Botschafter in Ankara ins Außenministerium zitiert.

Kubicki sagte am Freitag: "Die Tatsache, dass Herr Erdoğan seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2014 rund 200.000 solcher Verfahren hat einleiten lassen, sagt eigentlich schon alles. Ich sehe jedenfalls einer möglichen juristischen Auseinandersetzung mit Gelassenheit entgegen." Im Gegensatz zur Türkei sei Deutschland ein Rechtsstaat, in dem die Meinungs- und Äußerungsfreiheit zentralen Verfassungsrang habe. In der Türkei gibt es einen eigenen Straftatbestand der Präsidentenbeleidigung.

Verweis auf "Ratatouille"

Kubicki hatte den Tiervergleich nach vorherigen eigenen Angaben in Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik der Türkei gewählt. Erdoğan habe einen für die Türkei vorteilhaften Deal mit der Europäischen Union zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen abgeschlossen. "Gleichwohl müssen wir sehen, dass die Flüchtlingswelle über die Balkanroute wieder zunimmt, was erneut Herausforderungen für die deutsche Außen- und Innenpolitik mit sich bringt", sagte Kubicki.

Zur Wortwahl "kleine Kanalratte" hatte er mit Verweis auf Trickfilme ergänzt: "Eine Kanalratte ist ein kleines, niedliches, gleichwohl kluges und verschlagenes Wesen, weshalb sie auch in Kindergeschichten als Protagonistin auftritt ('Kalle Kanalratte', 'Ratatouille')." Ein Prestigeprojekt Erdoğans ist ein geplanter künstlicher Seeweg, also Kanal, der durch die Metropole Istanbul gegraben werden soll, um das Marmarameer und das Schwarze Meer zu verbinden. Das wirtschaftliche Großprojekt ist umstritten. (APA, 30.9.2022)