Im Gastblog erklärt Rechtsanwältin Theresa Kamp, dass die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten auch durch Zerrüttung der Ehe nicht automatisch wegfallen.

Die Ehewohnung hat eine Sonderstellung und ist besonders geschützt. Das kann nicht nur im Fall der Scheidung hinsichtlich der Aufteilung relevant werden. Per se sind Sachen von der Aufteilung im Fall einer Scheidung ausgenommen, wenn sie in die Ehe eingebracht, geerbt oder von dritter Seite geschenkt wurden. Bei der Ehewohnung kann das (für viele überraschend) anders sein. Aber auch während laufender Ehe gibt es einige spezielle Regelungen zu beachten. So ist es etwa nicht möglich, einen auf die Ehewohnung angewiesenen Ehegatten einfach so hinauszuwerfen. Dabei ist irrelevant, wem die Ehewohnung gehört oder wer verfügungsberechtigt ist.

Gemeinsames Wohnen

Sofern die Eheleute nichts anderes vereinbart haben, gilt während der Ehe die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen. Auch deshalb ist es im Übrigen nicht ratsam, im Konfliktfall einfach eigenmächtig auszuziehen. Solange man sich gut versteht oder zumindest kein körperliches Unbehagen durch die Anwesenheit des anderen verspürt, ist das Zusammenleben meist kein Problem. Wenn aber der Ehepartner oder die Ehepartnerin plötzlich die Ehewohnung auf eine Weise nützt, die einen gelinde gesagt verzweifeln lässt, stellt sich teilweise die Frage nach rechtlichen Lösungsansätzen.

Ungebetener Besuch oder die Grenzen der Freiheit

Ganz grundsätzlich haben Eheleute aufeinander Rücksicht zu nehmen und ihr Leben einvernehmlich zu gestalten. So soll auch die konkrete Art, wie die Ehewohnung genützt wird und welche "Regeln" dort gelten, gemeinsam festgelegt werden. Jedem der Ehegatten soll ein gewisser Spielraum zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit gewährt werden. Es muss beiden möglich sein, Kontakte zu Freunden und Verwandten zu unterhalten und diese Personen auch in die Ehewohnung einladen zu können.

Wird das gemeinsame Leben durch Besuche erheblich gestört, kann sogar ein Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden.
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Aber auch in einer Ehe endet die Freiheit des Einzelnen oft dort, wo sie beträchtlich in die Freiheit des anderen eingreift beziehungsweise das gemeinsame Leben erheblich stört. Hier sind dann die Interessen der Eheleute gegenüberzustellen und eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei wird man die Häufigkeit der Besuche, das Benehmen der Besucherinnen und Besucher, die Größe der Wohnung, das Verhältnis zum Besuch und andere Faktoren berücksichtigen. Kommt beispielsweise immer jemand, der dann den gesamten Inhalt des Kühlschranks verspeist und, überspitzt formuliert, die Wohnung verwüstet, wird man das nicht tolerieren müssen.

Gelegentliche Besuche werden grundsätzlich das Familienleben nicht stören. Anders könnte das sein, wenn man die neue Freundin oder die Schwiegermutter einziehen lässt oder wenn der oder die Dritte das Ehe- und Familienleben erheblich stört. Hier kann die gestörte Ehepartnerin oder der gestörte Ehepartner möglicherweise sogar einen Unterlassungsanspruch/Räumung durchsetzen. Interessant ist, dass der Oberste Gerichtshof bei Besuchen von neuen Partnern oder Partnerinnen eher großzügig war – vor allem wenn die Ehe schon unheilbar zerrüttet war.

Schwiegermutter versus neuer Partner oder neue Partnerin

So sprach der Oberste Gerichtshof beispielsweise aus, dass man es sich nicht einfach gefallen lassen müsse, wenn plötzlich gegen den Willen des einen die Schwiegermutter einzieht (6Ob54/99f). Im konkreten Fall hatte die Ehefrau während des laufenden Scheidungsverfahrens ihre Mutter einziehen lassen, die sich dann in Streitigkeiten einmischte und dem Ehemann immer wieder den Zutritt zu seinem Haus oder zum Kinderzimmer des Sohnes verwehrte. Der Ehemann begehrte dann (zu Recht) den Auszug der Schwiegermutter.

In einem anderen Fall urteilte der Oberste Gerichtshof, dass sich die geschiedene Ehefrau Besuche von der neuen Freundin des Mannes in der früheren Ehewohnung sehr wohl gefallen lassen müsse (6 Ob 40/18b). Im speziellen Fall war die Ehe allerdings bereits geschieden und damit auch unheilbar zerrüttet. Der OGH befand, durch die Besuche der neuen Freundin werde der Ex-Frau die Benützung der Wohnung nicht verunmöglicht, zumal der Ex-Mann die Besuche hauptsächlich dann empfing, während sie in der Arbeit war.

Auch in einer weiteren Entscheidung entschied der OGH (4Ob223/02a) zugunsten des neuen Freundes der Ehefrau. Auch hier war die Ehe aber bereits unheilbar zerrüttet. Der Ehemann lebte nach wie vor mit der Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern im selben Haus. Die Ehefrau hatte ein Kind mit einem anderen Mann. Dieser Mann hielt sich immer wieder in der Ehewohnung auf – um sein Kind zu besuchen. Der Oberste Gerichtshof führte zwar aus, dass, solange die Ehe noch aufrecht ist, grundsätzlich jeder Ehegatte Anspruch darauf habe, dass Dritte das Ehe- und Familienleben nicht stören. Dabei sei nicht unbedingt das entscheidende Kriterium, ob die Ehe zerrüttet ist, weil das Gesetz die Ehe an sich schützt und die Zerrüttung die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten nicht aufhebe. Allerdings sei in diesem Fall das Interesse des Dritten, seine Tochter besuchen zu wollen, schützenswerter als das Interesse des Ehemannes, keinen diesbezüglichen Besuch empfangen zu wollen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gegenseitigen Verpflichtungen der Ehegatten auch durch Zerrüttung der Ehe nicht automatisch wegfallen. Eine unheilbar zerrüttete Ehe ist aber nicht in demselben Maß schutzwürdig wie eine intakte Ehe. (Theresa Kamp, 12.10.2022)