Nur Männer, keine einzige Frau – Autorin Gertraud Klemm schreibt in ihrem Gastkommentar über die Kandidatenwahl für die anstehende Präsidentschaftswahl.

Wenn reine Männerrunden über Bildschirme flimmern, wissen wir, es geht um die Prostata. Oder um Saudi-Arabien. Oder Krieg. Oder aber es wird gewählt in Österreich. Sei es in Tirol, Oberösterreich oder bundesweit – dass in der Republik gerade um einen Führungsanspruch gerittert wird, sehen wir an den Herrenausstatter-Wahlplakaten und daran, dass Frauen in den TV-Gesprächsrunden ausdünnen.

Illustration: Fatih Aydogdu

Jetzt steht also die Präsidentschaft an. Sieben Kandidaten: Das Gendern können wir uns hier getrost in die Haare schmieren. Uns Österreicherinnen ringt das nicht mal ein Achselzucken ab. Sind wir doch gewohnt! An der Basis packen wir kräftig mit an, aber die ganz großen Ämter überlassen wir Männern, egal, ob auf Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene. Hie und da gibt es eine Ausnahme, die bestätigt bekanntlich die Regel; vor allem dann, wenn konservative Ministerinnen als Sprechpuppen installiert werden, oder Landeshauptfrauen und Bürgermeisterinnen als ideologische Nachlasspflegerinnen. Frauenpolitik? Fehlanzeige. Aber Frauenpolitik dürfen wir uns ja nicht mal von der Frauenministerin erwarten; wenn die nicht gerade den Papst mit Mariazeller Lebzelten anfüttert, Fraueninitiativen die Förderungen streicht oder Abtreibungsgegner unterstützt, macht sie Almosenpolitik. Und ist das nicht Frauenpolitik genug?

Kein Trost

Neu ist, dass sich die Kandidaturen in den Bereich der Satire verschieben – und sei es unfreiwillig. Wie kompetent wähnen sich diese Kandidaten eigentlich? Zumindest der Amtsinhaber weiß, was er tut. Die Programme der anderen lesen sich wie Nationalratswahlprogramme. Politikerfahrung? Nur von rechts, was jetzt so gar kein Trost ist. Die anderen qualifiziert ihre Erfahrung als Anwalt, Zwergenparteivorsitzender, Impfgegner, Rockmusiker, Kolumnist oder Schuhrebell. Mit Wehmut erinnern wir uns an die Professionalität der ganzen sieben weiblichen Präsidentschaftskandidatinnen seit 1951, von denen nur eine einzige kein politisches Urgestein war.

TV-Duelle bestätigen den Verdacht, dass es mit der Qualifikation der mit Van der Bellen konkurrierenden Kandidaten nicht so weit her ist. Was sie eint, ist die größtmögliche Fehleinschätzung, sich das höchste Amt im Staat, mitten in einer multiplen Krise, zuzutrauen. Die Hauptmotive scheinen Gratiswerbung, bodenlose Eitelkeit und Erlöserfantasien zu sein.

"Was hätte es gebraucht, die Runde um eine kompetente Frau zu bereichern? Hätte man eine gefunden, die auch größenwahnsinnig und profilierungsneurotisch genug wäre, sich das anzutun?"

Den Staat aus der Krise zu führen dürfte für manche untrennbar mit der Auflösung des Parlaments verbunden sein; andere wollen die Demokratie mit antidemokratischen Maßnahmen "retten". Was hätte es gebraucht, die Runde um eine kompetente Frau zu bereichern? Hätte man eine gefunden, die auch größenwahnsinnig und profilierungsneurotisch genug wäre, sich das anzutun? Und wenn ja, wer hätte die finanziert? Oder ist der politische Boden so unwirtlich, sind die Strukturen so patriarchal, dass Frauen nicht in Spitzenpositionen können – oder wollen? Sind sie zu vernunftbegabt, sich in einem aussichtslosen Wahlkampf aufzureiben? Was ist mit den Wählerinnen? Ist denen wurscht, dass an allen wichtigen Hebeln in diesem Land Männer sitzen?

Was macht das mit uns, wenn denn das Privileg, sich lächerlich machen zu dürfen, nur den Männern vorbehalten ist? Stellen wir uns eine Henriette Staudinger vor, die sich, mit ungewaschenen Haaren und roter Schmuddeljacke, im Dialekt als Christenmensch und Kommunistin bezeichnet; oder eine von Frank Stronach finanzierte Krone-Kolumnistin Tatjana Wallentin, die mit ihrem Alleinerzieherinnenstatus hausieren geht, um ihre familienpolitische Kompetenz zu untermauern; oder eine Martina Pogo, Rockgöre, Medizinerin und Gründerin von einer Partei, deren Name klischeehafter nicht sein könnte: Proseccopartei.

Völlig chancenlos

Utopisch, oder? Der Gedanke, ein paar dermaßen unqualifizierte Frauen hätten den Mut, die finanzielle Schubkraft oder den Glauben, sich als Präsidentschaftskandidatinnen bei der Bevölkerung etwas anderes abholen zu können als Häme, ist und bleibt lächerlich. Woher kommt dieses bedingungslose Urvertrauen der Kandidaten, die so völlig chancenlos sind? Was haben eine Bierpartei und eine Impfgegnerpartei bei einer Präsidentschaftswahl zu suchen? Warum gibt es überhaupt eine Bierpartei und eine Impfgegnerpartei, eine Christenpartei, eine Piratenpartei oder eine Autofahrerpartei, aber keine Frauenpartei? Was stimmt nicht mit den Frauen in diesem Land?

Man könnte natürlich diese Thermik, auf der Männer wie Staudinger, Grosz, Wallentin und Brunner aufschwimmen, als Patriarchat abtun. Dieser Wahlzirkus ist aber ohne uns, das apathische Wahl- und SteuerzahlerInnenvolk, dem die Show getrost zugemutet werden kann, undenkbar.

Frauen stellen 51,6 Prozent der 6,4 Millionen Wahlberechtigten in diesem Land. Dass keine von ihnen sich als Kandidatin wiederfindet, ist, ungeachtet der Voraussagbarkeit des Ergebnisses, ein Signal, das nicht nur frauenpolitisch, sondern auch demokratiehygienisch bedenklich ist. Sind das hier tatsächlich die Wahlen, die wir verdienen? (Gertraud Klemm, 1.10.2022)