In der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou sind viele Straßen gesperrt. Man geht von einem Putschversuch aus.

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Im westafrikanischen Burkina Faso ist es am Freitag zu einem Putschversuch gegen die Regierung des Anfang dieses Jahres ebenfalls durch einen Militärcoup an die Macht gekommenen Oberstleutnants Paul-Henri Sandaogo Damiba gekommen. Wie aus Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, berichtet wird, kam es am frühen Freitagmorgen in der Nähe der zentralen Baba-Sy-Kaserne zu länger anhaltenden Schusswechseln. Außerdem sei aus der Richtung des Präsidentenpalastes eine mächtige Detonation zu hören gewesen, heißt es.

Über Twitter verbreitete Videoaufnahmen zeigen von Soldaten abgesperrte Straßenzüge – auch vor dem Parlament, dem Büro des Premierministers und der staatlichen Rundfunkanstalt fuhren gepanzerte Mannschaftstransporter auf. Der TV-Sender stellte sein Programm zunächst ein, später wurden Sendungen über den Anbau von Baumwolle ausgestrahlt. Am Nachmittag trat Damiba im Fernsehen auf und sprach von "Diskussionen", die zur Stunde andauern würden. Worum es gehe, sagte er nicht, auch war nicht klar, ob er weiterhin die volle Kontrolle im Staat ausübt. Wer hinter dem Putschversuch steht, stand vorerst noch nicht fest.

Wenn er spricht, sollte man zuhören

Der gut 20 Millionen Einwohner zählende Staat wird seit etwa sieben Jahren wie seine Nachbarstaaten Mali und Niger von verschiedenen Gruppierungen islamistischer Extremisten destabilisiert, die entweder mit dem Terrornetzwerk al-Kaida oder dem "Islamischen Staat" verbündet sind. Ihr blutiger Konflikt mit den Sicherheitskräften kostete bereits tausende Burkinabé das Leben und vertrieb mehr als zwei Millionen aus ihrer Heimat.

Der 41-jährige Eliteoffizier Damiba hatte am 24. Jänner den gewählten Präsidenten Roch Kaboré mit einem Putsch entmachtet: Ihm wurde vorgeworfen, beim Kampf gegen die Extremisten versagt zu haben. Der in Frankreich und den USA ausgebildete Soldat gilt als Terrorexperte: Er hatte sogar ein Buch über den Konflikt der westafrikanischen Streitkräfte mit den Extremisten verfasst. "Er spricht nicht viel, aber wenn er spricht, sollte man ihm zuhören", beschrieb ein Sicherheitsexperte den meist in Uniform und mit Sonnenbrille auftretenden Offizier. Seine Machtergreifung wurde damals auch von der zivilen Bevölkerung des Landes gefeiert.

Die Kontrolle ist entglitten

Trotz der Vorschusslorbeeren gelang es Damiba allerdings nicht, die Lage in seiner Heimat in den Griff zu bekommen: Die Überfälle der Extremisten gingen auch nach seinem Putsch ungebremst weiter. Erst am Montag kam es im unruhigen Norden des Landes wieder zu einem Angriff der Islamisten auf einen von der Armee begleiteten Konvoi, bei dem elf Soldaten und bis zu fünfzig Zivilisten ums Leben kamen.

Der Überfall auf den 150 Fahrzeuge umfassenden Konvoi scheint die Stimmung sowohl unter der Bevölkerung wie innerhalb der Armee zum Kippen gebracht zu haben: Am Donnerstag forderten tausende Demonstranten in Bobo Dioulasso, der zweitgrößten Stadt des Landes, Damibas Rücktritt. Nach Auffassung des Landesbeauftragten der Konrad-Adenauer-Stiftung für Burkina Faso, Urs Laessing, beschränkt sich der Einfluss der Armee und der Regierung inzwischen auf Ouagadougou und Bobo: "Der Großteil des Landes ist ihrer Kontrolle entglitten."

Russischer Einfluss

Damiba gehört wie die beiden Obristen Assimi Goïta (Mali) und Mamady Doumbouya (Guinea) zu einer Generation junger Offiziere, die mit den oft korrupten politischen Eliten ihrer Staaten auf Kriegsfuß stehen. Damiba hat es sich allerdings auch mit der militärischen Hierarchie verscherzt, weil er nach seinem Coup viele älteren Generäle ersetzte. Sie waren noch von dem Autokraten Blaise Compaoré eingesetzt worden, der 2014 nach 27 Jahren im Amt durch einen Volksaufstand aus dem Land gejagt wurde. Compaoré hatte es verstanden, die Extremisten durch Verhandlungen und Gespräche in Schach zu halten – erst nach seinem erzwungenen Abtritt eskalierte die Lage.

Noch ungeklärt ist die Frage, ob die berüchtigte russische Wagner-Gruppe an dem Umsturzversuch in Ouagadougou zumindest indirekt beteiligt ist. Die Söldnertruppe verfügt im Nachbarland Mali über erheblichen Einfluss: Dort sollen rund 1.000 Kämpfer stationiert sein. Längst bekannt ist, dass die von "Putins Koch", Jewgeni Prigoschin, finanzierte Truppe ihren Einfluss nach der Zentralafrikanischen Republik, dem Sudan und Mali auch auf Burkina Faso ausdehnen will. Derzeit kursierten viele Gerüchte, sagt Laessing: "Aber bestätigt ist noch nichts." (Johannes Dieterich, 30.9.2022)