Wenn sie es nicht merkt, dreht ihr Mann heimlich die Heizung kühler, erzählt Nora K. aus Wien.

Foto: Heribert Corn

In manchen Haushalten ist ein Machtkampf um die Regler ausgebrochen.

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Scholle überbacken wird zum Stein des Anstoßes: Ich bin gerade dabei, das Abendessen in den Backofen zu schieben, als mein Mann in die Küche kommt und fragt: "Haben wir nicht auch noch was anderes, was wir gleich mitbacken können?" Ich kenne meinen Mann. Klar, was er mir damit durch die Blume sagen wollte, nämlich: "Schon wieder das Backrohr?"

Jetzt, wo die Preise für Strom und Gas steigen, ebenso wie die Angst vor einer hohen Energiekostenabrechnung, und auch der Lebensmitteleinkauf immer teurer wird, ist in Familien und Partnerschaften Energiesparen ein großes Thema. Und nicht immer sind alle einer Meinung. In manchen Beziehungen nimmt man die Diskussionen mit Humor, in anderen Haushalten führt die Sparfrage zum ordentlichen Streit.

So auch bei uns. Mein Mann ist sparsamer, immer schon. Wir stehen zwar finanziell ganz gut da, wollen aber dennoch, vor allem der Umwelt zuliebe, nicht verschwenderisch sein. Für seine Sparsamkeit bin ich ihm sehr dankbar, meistens jedenfalls. Denn seit Beginn der Energiekrise hat das Haushalten bei uns daheim nochmal ein ganz neues Level erreicht. Dabei sind wir uns in vielen Punkten einig: Wir waschen seit einigen Wochen unsere Wäsche häufiger mit 30 als mit 40 Grad, drehen nachts öfter das WLAN ab oder verzichten auf diese eine Lichtleiste in der Küche, in die man keine LEDs schrauben kann.

Was geht zu weit?

Auf die Bemerkung mit dem Backrohr war ich trotzdem nicht gefasst – und statt seine Frage mit einem gelassenen "Nein" zu quittieren, habe ich mich tatsächlich ziemlich aufgeregt. Ich war empört. Das geht langsam wirklich zu weit. Trotzdem googelte ich abends heimlich: "Stromverbrauch Backrohr und Herdplatten Vergleich". Was, wenn er recht hat? Tatsächlich benötigen der Backofen und eine voll aufgedrehte Herdplatte pro Stunde ungefähr gleich viel Energie. Da Herdplatten aber tendenziell kürzer genutzt werden, sind sie tatsächlich effizienter.

Am nächsten Tag fragte ich meine Kolleginnen beim Mittagessen um Rat. Zu meiner großen Überraschung erzählte mir eine, auch ihr Mann würde die Backrohrzeit limitieren und Kritik an ihrem Verhalten wenig subtil verpacken ("Echt, schon wieder ein Vollbad?"). Gleichzeitig fahre er mit dem Auto in die Arbeit, trotz der Möglichkeit, auf Öffis umzusteigen. "Er hat sogar die Uhr am Backofen ausgestellt", sagt sie empört.

Katzenwäsche wie bei Oma

Eine andere Kollegin erzählt mir, dass sie vom Duschen auf – in ihren Worten – eine "Katzenwäsche wie bei der Oma früher" umgestiegen ist und nachts bald Wollmütze tragen wird, um die Heizung nicht aufdrehen zu müssen. Dabei habe sie letztes Jahr nicht mal einen Blick auf die Energierechnung geworfen.

Doch die Energiekrise ist auch im Privaten angekommen. Bei einer Studie, die im Juni vom deutschen Marktforschungsinstitut Innofact durchgeführt wurde, gaben 60 Prozent der Befragten an, dass der richtige Umgang mit Energie in ihrer Partnerschaft schon einmal ein Streitthema war.

"Das hab ich jetzt gehört!" oder "Was drehst du schon wieder das warme Wasser auf!", ruft beispielsweise der Freund einer Kollegin, sobald er mitbekommt, dass im Bad die Gastherme anspringt. Ein fast schon rigoroses Kaltwasser-Regime habe er zu Hause eingeführt, klagt sie, das außer beim Duschen immer gilt. "Wir diskutieren fast jeden Tag. Ich finde, mein Gesicht wird bei kaltem Wasser nicht von Unreinheiten befreit, mein Mund tut weh, wenn ich ihn mit kaltem Wasser ausspüle – und das Geschirr wird auch nicht sauber."

Aufgebackene Stimmung

Aber nicht nur in Partnerschaften, auch in Familien seien Differenzen über die richtigen Energiesparmaßnahmen keine Seltenheit, sagt Claus Hollweck, Energieberater bei der Umweltberatung. "Viele Eltern müssen ihre Kinder immer wieder ans Energiesparen erinnern. Wer die Rechnungen nicht selbst zahlen muss, der duscht natürlich auch gerne länger", sagt er. Hollweck spricht auch aus eigener Erfahrung: "Mein Sohn ist 17 Jahre und lässt nach dem Duschen oft stundenlang das Fenster im Badezimmer offen stehen. Oder er lässt seinen Computer und das Licht in seinem Zimmer an. Es ist ein ständiges Nachlaufen und Erinnern, wirklich ärgerlich."

Manche Streitigkeiten sind eher gerechtfertigt als andere: Langes Duschen wirkt stärker auf die Kosten, als wenn unnötige Lichter anbleiben, vor allem wenn es LEDs sind. Denn auf die Beleuchtung entfallen im Schnitt nur zehn Prozent der jährlichen Stromkosten in einem Haushalt. Natürlich treiben auch Kochen und Backen den Stromverbrauch nach oben. "Aber da sollte man die Kirche im Dorf lassen, Essen ist nun mal lebensnotwendig", sagt Hollweck. Es gehe ja nicht darum, zu Hause nicht mehr zu kochen oder zu frieren, sondern darum, mit neuen Gewohnheiten Energieverbräuche zu senken. Wie etwas kürzer zu duschen, sich in einen warmen Pullover zu kuscheln oder mit Deckel zu kochen. "Wir alle können experimentieren, wo die persönlichen Grenzen liegen – und trotzdem bei ausgezeichneter Lebensqualität weniger Energie verbrauchen."

Aber natürlich hat jeder andere Grenzen. In vielen Familien wird daher regelmäßig verhandelt: Auf welche Temperatur kann man sich einigen? Wann dreht man die Heizung auf? Wem ist zu warm und wem zu kalt? Das weiß auch der Energiekostenberater Jörg Jozwiak von EB Plus der Arge Energieberatung & Umweltbildung. "Unterschiedlicher Wärmebedarf birgt natürlich ein gewisses Streitpotenzial", sagt er. Im Alltag erlebe er vor allem kleinere, humorvolle Sticheleien zwischen Eheleuten. Es sei auch schon vorgekommen, erzählt er, dass Eltern ihre Kinder zum Beratungsgespräch dazuholen, wenn er gerade vom Warmwassersparen erzählt: "Hör auf diesen Mann!" Am häufigsten aber seien Differenzen in Wohngemeinschaften, wo darüber gestritten wird, wer den Referenzraum mit dem Thermostat bewohnt und somit die Macht über die Temperatur hat.

Hitzige Diskussion

Die Macht über die Temperatur ist auch bei einer weiteren Kollegin ein Thema: Sie wollte den eiskalten Boden in der Altbauwohnung mit zwei kleinen Kindern nicht mehr hinnehmen und hat im September die Heizung aufgedreht. Ihr Partner fand das absurd. Trotzdem: "Statt 21 haben wir nun 22,5 Grad, alle fühlen sich wohler", sagt sie. Im Gegenzug habe sie ihm vorgeschlagen, nur mehr zweimal im Monat Fleisch zu essen. Ein Vorschlag, der auf wenig Begeisterung stieß. Wieder eine andere Kollegin stoppt ihren Mann beim Duschen. "Er will Dschungelfeeling, ich finde, eine Minute duschen reicht völlig. Haare werden im Fitnessstudio gewaschen – so mache ich es auch." Und tatsächlich: Nur vier statt fünf Minuten zu duschen spart laut einer Berechnung von Klimaaktiv rund sechs Liter Warmwasser und 20 Prozent Energie.

Wie sparsam man mit Energie umgeht, hat wohl auch damit zu tun, wie man selbst aufgewachsen ist. Ihr Vater, erzählt eine Kollegin, nenne eine brennende Glühbirne in einem unbenutzten Raum bis heute "Festbeleuchtung". Energiesparen wurde ihr schon als Kind indoktriniert. Aber in einem dunklen Raum zu sitzen, in dem nur das Fernsehlicht den Raum beleuchtet? Das war ihr immer schon unangenehm. Also hat sie in den letzten Jahren versucht, einen Mittelweg zu finden, und sich daran gewöhnt, dass ihr Partner es liebt, wenn die Küche hell erstrahlt, obwohl sie im Wohnzimmer sitzen. Doch selbst damit ist nun Schluss. Ab sofort brennt die Glühbirne nur dort, wo sie benötigt wird.

Innerfamiliäre Abkühlung

Und wie einigt man sich nun? "Unser Kompromiss vom letzten Winter waren 20 Grad, mein Partner hätte gerne 25 und ich 18 Grad. Ich finde es nicht notwendig, im Winter mit kurzer Kleidung daheim herumzulaufen", berichtet mir eine Kollegin. Erst wurde der Kampf um die Temperaturen in ihrem Zuhause nur verbal ausgefochten, jetzt wird er über die Regler ausgetragen. "Die Heizung lief diesen Herbst schon kurz, aber ich habe sie wieder abgedreht." Die Fakten geben ihr recht: Ein Grad weniger Raumtemperatur spart im Schnitt sechs Prozent der Heizkosten.

Ein Katz-und-Maus-Spiel sei es auch bei ihr, sagt Nora K. aus Wien, die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sie hat mit ihrem Mann vereinbart, dass er sich in der Wohnung ein Zimmer aussuchen darf, in dem es so kalt ist, wie er es gerne hätte – nämlich 19 Grad: "Mir ist das zu kalt, ich drehe die Heizung im Wohnzimmer gern auf 20 bis 21 Grad auf. Aber wenn er glaubt, ich merke es nicht, dann dreht er die Temperatur schnell und heimlich wieder zurück."

Späte Einsicht

Der eine oder die andere lässt sich von seinem Partner oder seiner Partnerin jedoch bekehren. Auch Energieberater Hollweck rät ja dazu, gewisse Gewohnheiten einfach einmal grundlegend zu hinterfragen.

Und ich selbst? Ich komme langsam zu der Einsicht, dass womöglich die Zeit gekommen ist, in der es sich lohnt, nachzugeben.

Den Backofen nutze ich immer noch, allerdings lassen wir ihn jetzt nach dem Backen offen, um mit der Restwärme die Wohnung zu heizen. Und als mir mein Mann letztens erzählte, er habe versucht, die Lampe aus der Mikrowelle zu schrauben, habe ich tatsächlich nicht die Augen verdreht, sondern ihn für seinen Einfallsreichtum bewundert. So weit ist es gekommen. (Bernadette Redl, 1.10.2022)