Bei Gericht aufliegende Unterlagen geben einen Einblick in Musks private Nachrichten vor und nach seinem Einstieg bei Twitter.

Foto: Reuters/Dado Ruvic

Zuerst wollte er Twitter unbedingt übernehmen, nun sucht er dringend einen Ausweg aus dem selbst eingefädelten Deal. Gelingt ihm das nicht, droht eine Strafzahlung von einer Milliarde Dollar.

Ob Elon Musk aus der Abmachung aussteigen darf oder nicht, wird wohl am 17. Oktober vor Gericht geklärt werden. Im Vorfeld der Verhandlung sind private Nachrichten des Tesla-Chefs den öffentlich einsehbaren Gerichtsunterlagen hinzugefügt worden. Und diese ermöglichen interessante Einblicke.

Techniker-Freundschaft

Da wäre etwa das Verhältnis zwischen Musk und dem aktuellen Twitter-CEO Parag Agrawal. Das begann eigentlich vielversprechend. "Hey Elon, gut dass wir verbunden sind. Würde gerne chatten", schrieb Agrawal am 27. März, als Musks Interesse an Twitter Fahrt aufnahm. Sein Gegenüber spendierte der Nachricht ein "Like". Ein Treffen wurde vereinbart, gefolgt von einem Abendessen nahe San Jose ein paar Tage später.

Die Location des Dinners war laut Twitters Aufsichtsratschef Bret Taylor "der eigenwilligste Ort, an dem ich in letzter Zeit ein Treffen hatte". Es soll sich um eine Airbnb-Unterkunft nahe des Flughafens gehandelt haben, die offenbar nahe eines Bauernhofs mit Traktoren und Eseln gelegen war. Agrawal bezeichnete das Treffen als "aus mehreren Gründen denkwürdig" und hatte es nach eigenen Angaben genossen.

Bald darauf, am 4. April, wurde angekündigt, dass Musk dem Aufsichtsrat von Twitter beitreten werde und 9 Prozent der Unternehmensanteile übernommen hatte. Das brachte den umstrittenen Podcaster Joe Rogan dazu, Musk anzuschreiben, ob er nun "Twitter vom zensurfreudigen Mob befreien" werde. Dieser antwortete, dass er Ratschläge geben werde, die das Unternehmen befolgen werde, oder auch nicht.

Bruch nach Tweet über angebliche Probleme

Agrawal und Musk fanden Anfang April einen Anknüpfungspunkt bei ihrer Passion für Technik. Er tue sich viel leichter mit Entwicklern, die "Hardcore-Programmierung" machten, als mit "Managertypen", verriet Musk. "Behandle mich bei unserem nächsten Treffen einfach wie einen Techniker", kam ihm Agrawal entgegen, der gelernter Softwareingenieur ist und Twitters Technikabteilung leitete, bevor er als CEO nachrückte. Noch am gleichen Tag ließ Musk ihn wissen, dass er "einen Haufen Ideen" habe, um "Twitter maximal großartig zu machen".

Doch das gerade erst gefundene Vertrauen erlitt schwere Brüche, als Musk am 9. April öffentlich insinuierte, dass es Twitter schlecht gehe. Agrawal stellte ihn mittels privater Nachricht zur Rede und erklärte, dass sein Statement intern zu Ablenkungen führe und nicht hilfreich sei. Er erhielt umgehend eine patzige Antwort: "Was hast du diese Woche zustande gebracht? Ich werde dem Aufsichtsrat nicht beitreten. Das ist Zeitverschwendung. Ich werde ein Angebot legen, um Twitter von der Börse zu nehmen."

Zwei Tage später machte Agrawal öffentlich, dass Musk doch nicht Teil des Aufsichtsrats wird. Der Rest ist Geschichte: Am 14. April offerierte der Tesla-Chef 44 Milliarden Dollar für die Übernahme, was vom Aufsichtsrat am 25. April angenommen wurde.

Springer-Chef wollte Twitter betreiben

Zur gleichen Zeitspanne pflegte Musk aber auch Kontakt nach Deutschland. Und zwar zu Mathias Döpfner, seines Zeichens Chef des Axel-Springer-Verlags ("Bild", "Welt"). Der könnte ihn möglicherweise auf die Idee gebracht haben, Twitter zu übernehmen.

"Warum kaufst du nicht Twitter?", schrieb Döpfner an Musk. Und machte gleich darauf deutlich, was er sich davon erhoffte: "Wir betreiben es für dich. Und schaffen eine echte Plattform für freie Meinungsäußerung. Das wäre ein wirklicher Beitrag zur Demokratie."

"Interessante Idee", lautete die Antwort nur wenige Minuten später. "Ich meine es ernst", setzte Döpfner fort. "Es ist machbar. Das wird lustig." Medienanfragen zu dieser Konversation beantwortete der Springer-Chef bislang nicht.

Fünf-Punkte-Plan für Twitter

Neben diesen "High Profile"-Konversationen geben die Unterlagen auch Einblick in Konversationen von Musk mit weniger bekannten Akteuren. Etwa der Investor Jason Calacanis, der hier beispielhaft als eines von vielen Beispielen für Leute dient, die sich offenbar bei Musk gutstellen wollten. Bald nachdem Musk seinen Plan angekündigt hatte, Twitter von der Börse zu nehmen, meldete sich dieser bei Musk mit einem Fünf-Punkte-Plan. Dieser sah unter anderem eine bezahlte Mitgliedschaftsoption, Umsatzbeteiligungen für Creator und eine Umstrukturierung der operativen Abteilung nebst Umzug von Kalifornien in die texanische Metropole Austin vor.

Über die kommenden Wochen übermittelte er immer wieder Ideen an Musk und schlug etwa eine Möglichkeit vor, dass Nutzer gegen Geld werbliche Direktnachrichten an ihre Follower schicken könnten: "Stell dir vor, wir fragen Justin Beaver [Anm.: gemeint ist offenkundig Justin Bieber], ob er zurück kommt und lassen ihn DMs an alle seine Fans schicken … er könnte sofort eine Million mit Eintrittskarten und Merchandise verdienen. Das wäre verrückt!"

Musk reagierte darauf nicht. Später allerdings zeigte er sich verärgert, dass Calacanis öffentlich versuchte, Investments für die Finanzierung seiner Twitter-Übernahme anzubahnen. "Morgan Stanley und Jared denken, dass du unsere Freundschaft in einer schlechten Weise nutzt. Das lässt es so aussehen, als wäre ich verzweifelt", hielt er seinen Unmut fest: "Bitte hör auf." (gpi, 2.10.22)