Das waren noch Zeiten, als die französischen Supermarktkassiererinnen die Klientel der Super- oder Hypermärkte geruhsam abfertigen konnten, ohne dass von jenseits des Rollbands Kommentare laut wurden. Heute, da die Preise für Lebensmittel um fast zehn Prozent nach oben geschnalzt sind, müssen die Kassiererinnen wohl oder übel die Aufgabe der psychologischen Erstversorgung von Kundschaften übernehmen, die beim Blick auf den Kassenzettel ihren Augen nicht trauen. Und das tun fast alle, selbst in Saint-Tropez, wo nicht die Unbetuchtesten zu Hause sind.

Kassiererinnen müssen oft die Aufgabe der psychologische Erstversorgung der mit den Preisen überforderten Kundschaft übernehmen.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Die Zeitung Le Monde, die sich in Supermärkten umgehört hat, hat ein ganzes Bouquet typischer Wortmeldungen an den Kassen eingesammelt. "Was, so viel kostet das?", "Das gebe ich zurück, das ist mir zu teuer" und vor allem: "Sie müssen sich geirrt haben." Nein, haben sie nicht. Baguette, Butter oder Bordeaux – alle Preise schießen in die Höhe.

Eine Kassiererin berichtete von einer noblen Bobo-Dame, die eine Dose sauteuren Thunfisch umtauschen wollte, welche ihr Gatte tags zuvor gekauft hatte. Er habe aus Versehen gemeint, es handle sich um "Katzenfutter". Dieser fadenscheinige Versuch, den Anschein finanzieller Überforderung zu zerstreuen, wäre vielleicht sogar lustig, wenn er nicht so traurig wäre. Wie sollte es auch lustig sein, wenn eine nationale Esskultur, die sich immer noch sehen und schmecken lassen kann, von der Inflation so fest in die Zange genommen wird? (Christoph Winder, 2.10.2022)