Man könnte fast Mitleid mit Wladimir Putin haben, stünde er nicht an der Spitze eines mörderischen Regimes. "Er hat einen Minderwertigkeitskomplex und ist sehr unsicher", sagte die Journalistin und Putin-Kennerin Catherine Belton am Sonntagabend in der "Zeit im Bild 2". Die meisten Menschen, die auf diese Weise mit sich selbst nicht im Reinen sind, überfallen aber keine Nachbarstaaten: Putins Charaktereigenschaften, analysierte die ehemalige Russland-Korrespondentin der "Financial Times", manifestierten sich gerade im Krieg in der Ukraine.

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Wie lange sich der Präsident noch halten werde, das sei die "Gazillion-Dollar-Question", hielt Belton nüchtern fest. Sollte die Teilmobilmachung keinen echten Erfolg im Krieg bringen, sei Putins Standing bei den Eliten gefährdet. Sie glaube, dass "die nächsten zwei bis drei Wochen wirklich entscheidend sein werden", sagte Belton. (Sie konnte natürlich nicht wissen, dass dieser Satz in Österreich spätestens seit der zweiten Corona-Welle ein wenig verschlissen ist.)

Hoffen auf Bröckeln im Westen

Wie so oft, wenn Menschen ihre Minderwertigkeitskomplexe in überzogenen Aktionen zu kompensieren versuchen, geht die Sache für keinen der Beteiligten gut: Putin sei "in einer sehr schwierigen Situation, denn seine Legitimation basiert darauf, na ja, zu gewinnen". Die einzige Hoffnung des russischen Präsidenten sei ein "Bröckeln der Einheit im Westen", sagte die Journalistin. (Sebastian Fellner, 3.10.2022)