Die Sonne scheint durch die herbstlich rot gefärbten Blätter eines Ahornbaums in Bourlon, Frankreich.

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Wien – Auf einen überdurchschnittlich heißen und trockenen Sommer folgte eine Abkühlung im September. Mit den ersten Oktobertagen stellt sich nun der Altweibersommer ein. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) in Wien geht ab Mitte der Woche dank Hoch "Timeo" von sonnigem Wetter mit Temperaturen bis zu 23 Grad aus.

Ab Mittwoch steigen die Temperaturen landesweit auf 16 bis 23 Grad. Auch der Donnerstag und Freitag bringen landesweit viel Sonne. Im Laufe des Wochenendes nimmt der Hochdruckeinfluss allerdings wieder langsam ab. Am Sonntag nähert sich wieder ein Tiefausläufer dem Alpenraum.

Hatte es in der zweiten Septemberwoche fast durchwegs unter 20 Grad, stehen die nächsten paar Tage stets über 20 Grad und mehr an, erklärt Zamg-Meteorologe Thomas Wostal. Diese als Altweibersommer bekannte Schönwetterphase leitet alljährlich – immer zwischen Ende September und Ende Oktober – den kalendarischen Herbstbeginn ein.

Kennzeichen des "Altweibersommers"

Der Grund sind stabile Hochdruckgebiete in jenem Zeitraum, die trockene Luft in weite Teile Europas einströmen lassen. Dieses Phänomen gilt als meteorologische Singularität, ähnlich den Eisheiligen im Frühling: typische, wiederkehrende Wetterereignisse, die vom normalen Ablauf hervorstechen, wie der Meteorologe Wostal ausführt. Einzug und Dauer können variieren, mal sind es ein paar Tage, mal ist es über eine Woche. Das Markante an dieser Periode sei die "sehr ruhige Wetterlage", so Wostal: Es weht wenig bis kein Wind, die Luft ist trocken, die Sonne scheint, die Temperaturen steigen, der Himmel ist klar, und das Grün der Blätter verfärbt sich in Gelb und Rot. In der Früh sei es allerdings bereits merklich kälter.

Zu dem Zeitpunkt würden momentan nur zehn Grad oder weniger gemessen. Teils kommt es auch schon zu Nebel, die Sonne ist allerdings derzeit noch stark genug, um ihn aufzulösen. Generell würden die Werte in den kommenden Tagen den typischen Werten in dieser Periode entsprechen, erklärt der Zamg-Meteorologe. So habe es Anfang Oktober in Österreich stets durchschnittlich um die 18 Grad, Ende Oktober sind es dann nur mehr zwölf.

Wortherkunft

So klar wie seine meteorologische Anzeichen sind, so ungeklärt ist die Herkunft des Begriffs "Altweibersommer". Das Wort selbst hat keinen eindeutigen etymologischen Hintergrund. "Schuld ist die dünne Datenlage", erklärt der Lexikograf Andreas Gellan.

Gellan forscht am "Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich", einem Langzeitprojekt der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Die gängigste volkstümliche Annahme sei auch die wahrscheinlichste, führt Gellan aus. Denn für diese gebe es die meisten Belege, die auf das 18. Jahrhundert zurückgehen.

Demnach bezieht sich das Wetterereignis auf die Fäden der Baldachinspinne, der man am häufigsten im Herbst begegnet. Das Tier bewegt sich, wenn es warm und windstill ist, über seine Spinnfäden in der Luft fort. Diese sind im Gegenlicht der Sonne leichter zu erblicken.

Außerdem webt die Spinne vor allem in Bodennähe. Legt sich der erste herbstliche Morgentau oder fällt länger kein Regen, ist das Netz im Gras oder in Sträuchern gut sichtbar. Diese Fäden erinnern an weiße Haare, wodurch sich für sie der volkstümlichen Annahme nach der Name Altweiber ableitet – und woher wiederum die Bezeichnung für die Wetterperiode abstammt, in der man diese oft entdecken kann.

Die süddeutsche Version des Altweibersommers, der "Ähnlsummer", bezieht sich wiederum auf den Großvater. Für andere Theorien, etwa einen möglichen Zusammenhang mit dem mittelhochdeutschen Verb "weiben", das ein Drehen, Schwanken, Schweben meint, gibt es Gellan zufolge kaum Quellen.

In Deutschland befasste sich bereits ein Gericht mit dem Altweibersommer. Im Jahr 1989 hatte eine 78-jährige Frau die Bundesrepublik Deutschland geklagt. Sie hatte angeführt, sich diskriminiert und darüber hinaus in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt zu fühlen. Die Klage wurde abgewiesen.

Kühler, aber normaler September

Während die erste Septemberhälfte relativ sommerlich verlaufen war, brachte die zweite Hälfte nicht nur Regen und kalten Wind, sondern auch viel Frost und Schnee. Kühler und trüber als heuer war ein September zuletzt 2017. Insgesamt aber, im Vergleich der 256-jährigen Messreihe, lag er allerdings laut Zamg-Angaben im Mittelfeld.

Für die Gletscher war es bisher ein sehr schwieriges Jahr. Auf der Pasterze, Österreichs größtem Gletscher, hat die Eisdicke heuer selbst im oberen Bereich (oberhalb von rund 3.000 Metern Seehöhe), über alle Messpegel gemittelt, um 3,7 Meter abgenommen, wie die jüngsten Messungen der Zamg zeigen. Im Durchschnitt der letzten Jahre lag hier die Schmelzrate bei 1,6 Meter Eisdicke pro Jahr.

"Extremes Jahr" für Gletscher

Im Rahmen des Gletscherbeobachtungsprogramms der Zamg werden in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien jedes Jahr im Frühling und im Herbst die Gletscher am Hohen Sonnblick (Goldbergkees und Kleinfleißkees) und am Großglockner vermessen und die Massenbilanzen berechnet. Die ersten Ergebnisse der Herbstmessung hätten ergeben, "dass es ein extremes Jahr war", sagt Marion Greilinger, an der Zamg Leiterin der Abteilung für Klimamonitoring und Kryosphäre (Gletscher und Permafrost).

Viel Saharastaub und der extrem warme Sommer hatten im Sommer zu außergewöhnlichen Schmelzraten geführt. Auf der Pasterze schmolz laut Zamg zwei- bis viermal so viel Eis ab wie im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Dadurch seien auf den Gletschern viele Spalten offengelegt worden oder nur mehr dünn von Altschnee überdeckt, warnte am Sonntag der Lawinenwarndienst Tirol. Er machte daher via Aussendung auf die erhöhte Gefahr von Spaltenstürzen im Gletschergebiet aufmerksam. Zudem sei in großen Höhen, wo es in den vergangenen Tagen mehr geschneit habe, kurzfristig auf Lawinen zu achten. (Anna Giulia Fink, 4.10.2022)