Die Faktiv-Redaktion des "Profil" (v. li.): Lena Leibetseder, Sebastian Hofer, Katharina Zwins und Jakob Winter.

Foto: Profil/Alexandra Unger

Wien – Von insgesamt 122 überprüften Behauptungen bis Ende September 2022 waren 72 Prozent größtenteils falsch oder falsch, weitere 15 Prozent irreführend und acht Prozent unbelegt. Nur sechs Prozent stellten sich als größtenteils richtig heraus: Das Nachrichtenmagazin "Profil" zieht nach einem Jahr Faktencheck "Faktiv" Bilanz und kommt zum dem Schluss: "Es hat uns ehrlich überrascht, wie leicht manche Politikerinnen und Politiker mit Falschbehauptungen, Notlügen und Irreführungen durchkommen."

Um solche Falschbehauptungen und Nebelgranaten weiter zu entlarven, wird "Faktiv" fortgesetzt – auch nach dem Auslaufen der Förderung durch die Wirtschaftsagentur Wien, die das Projekt bis Ende Juni 2022 finanzierte.

Rainer: "Beste Neueinführung"

"Profil"-Herausgeber Christian Rainer bestätigte die Fortsetzung: "Faktiv war die beste Neueinführung in meinem Vierteljahrhundert bei 'Profil': inhaltlich am Punkt entsprechend den Anforderungen der Zeit – und als Marke innerhalb kürzester Zeit erfolgreich etabliert. Logisch also, dass mit unseren Faktenchecks weiterhin zu rechnen ist."

Jakob Winter, "Profil"-Journalist und Faktiv-Projektleiter, ergänzt: "Faktiv wird selbstverständlich weitergeführt. Erstens, weil im politischen Diskurs so viele Fake News, Verschwörungstheorien und Irreführungen kursieren, dass uns die Arbeit – leider – nicht ausgeht. Und zweitens, weil das Interesse des Publikums an unseren Faktenchecks groß ist. Ich denke, das liegt daran, dass wir kein Clickbaiting betreiben, sondern in unseren Checks immer zu einem klaren Fazit kommen: Entweder stimmt eine Aussage – oder nicht. Unsere Texte halten, was unsere Titel versprechen."

Kickl entschuldigt sich

Laut eigenen Angaben kamen die Faktenchecks bis Ende September auf einen durchschnittlichen Anteil von rund 8,5 Prozent am Gesamt-Traffic von profil.at. Um das Thema noch breiter zu verankern, kooperiert "Profil" seit ein paar Wochen mit dem ORF. "Fakten mit Profil" heißt die Sendung, die montags auf dem Programm von ORF 3 steht und sich exemplarisch gerade zirkulierenden Fake News widmet.

Vergangene Woche ging es etwa um ein von FPÖ-TV ins Spiel gebrachtes Video, das angeblich Flüchtlinge im Jahr 2022 zeigen soll, die in Massen über die burgenländische Grenze strömen. Tatsächlich stammt das Video aber aus dem Jahr 2015. Sogar FPÖ-Chef Herbert Kickl entschuldigte sich auf seiner Facebook-Seite für den Fehler mit den Worten: "Wir bedauern diesen Irrtum."

Foto: Screenshot/Profil.at

Auch im Programm: Vorträge an Schulen sollen die Jugendlichen in puncto Medienkompetenz und Fake News sensibilisieren, weiters gibt es eine Kooperation zwischen Faktiv und der FH Wien.

"Pietätlos und brutal"

"Wir beobachten, dass die Zahl der sogenannten Alternativmedien stark zunimmt. Ihre Methoden und ihre verschwörungstheoretischen Inhalte haben seit der Corona-Pandemie ein neues Level erreicht", bilanziert das Faktiv-Team. "Trumpesk" sei noch eine Untertreibung, denn: "Obwohl die Themenkonjunktur von Corona abnimmt, bleibt das Empörungsniveau dieser Medien konstant. Sie agieren pietätlos und brutal." Als negatives Beispiel nennt die Redaktion das Onlinemedium "Report 24", das darüber spekulierte, dass der Tod eines Gemeindearztes etwas mit der Corona-Impfung zu tun haben könnte, was sich als Fake News herausstellte.

Warum im ersten Jahr Faktiv nur sechs Prozent der überprüften Behauptungen als richtig eingestuft wurden, erklärt die Redaktion rund um Jakob Winter und Katharina Zwins so: "Zum Teil lässt sich das dadurch erklären, dass wir gezielt nach Falschinformationen suchen, weil wir das als unseren primären Auftrag verstehen. Zum anderen beweist die Statistik aber auch, dass im öffentlichen Diskurs einfach unfassbar viele Falschinformationen kursieren – das zeigt, warum Factchecking so wichtig ist." Fortsetzung folgt. (omark, 4.10.2022)