Im Fall von sexuellem Missbrauch an einer Wiener Schule wurde möglicherweise Beweismaterial beiseitegeschafft.

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Wien – Im Missbrauchsfall um einen Sportlehrer, der bis zu seinem Suizid im Mai 2019 an einer Wiener Mittelschule etliche Buben im Alter von neun bis 14 Jahren missbraucht haben dürfte, könnte möglicherweise Beweismaterial beiseitegeschafft worden sein. Konkreten Beleg dafür gibt es zwar nicht, aber bei einer Hausdurchsuchung, die im Frühjahr 2019 bei dem Pädagogen durchgeführt wurde, blieben der Keller, der Pkw und die Räumlichkeiten des Lehrers an seiner Schule unberücksichtigt.

So wurde es nach APA-Informationen unterlassen, im Spind des Lehrers und in einer neben der Turnhalle gelegenen und von ihm in eine "Chill-out-Zone" umgewandelten früheren Schulwartwohnung nach kinderpornografischem Material zu suchen. In der Wohnung des Mannes wurde jedenfalls in Fülle einschlägiges Material sichergestellt.

Wie sich im Zuge der Erhebungen herausstellte, hatte der Pädagoge, der seit 1996 als pragmatisierter Beamter an einer Mittelschule mit Schwerpunkt Sport beschäftigt war, Nacktbilder bzw. -aufnahmen seiner Schüler angefertigt, die das teilweise gar nicht mitbekommen hatten, weil sie womöglich mit K.-o.-Tropfen oder Ähnlichem betäubt wurden.

Bekannter soll Spind leergeräumt haben

Wenige Tage nach dem Suizid des Lehrers tauchte ein enger Bekannter des Pädagogen in der Schule auf und soll nach APA-Informationen dessen Spind geleert und den Inhalt mit einem Auto weggebracht haben. Bei dem Mann handelte sich ausgerechnet um einen engen Freund des Sportlehrers, gegen den eine Opferanwältin am vergangenen Montag bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung wegen Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses eingebracht hatte.

Er und ein weiterer Bekannter des Lehrers, der als Basketballtrainer in einem Sportverein tätig war, wo der Pädagoge eine führende Funktion innehatte, werden in der Sachverhaltsdarstellung als mögliche Mittäter bezeichnet. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Auf APA-Anfrage hieß es am Montag seitens der Staatsanwaltschaft Wien, die Anzeige werde noch geprüft. Ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, sei noch offen.

Anordnung der Staatsanwaltschaft

Seitens der Landespolizeidirektion hieß es, die Hausdurchsuchung sei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt worden.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien sagte dem STANDARD, dass sehr wohl eine Hausdurchsuchung samt Kellerräumlichkeiten angeordnet wurde. Der Betroffene habe sich aber sehr kooperativ gezeigt und habe selbst umfangreiches Material ausgehändigt. In weiterer Folge dürfte von einer Untersuchung des Kellers Abstand genommen worden sein.

Von einem Spind oder einem eigenen Raum für den Lehrer in der Schule habe die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis gehabt. Dafür, dass die Schule ein möglicher Tatort gewesen sei, habe es "keine Anhaltspunkte" gegeben. Nach dem Suizid des Betroffenen wurden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in weiterer Folge eingestellt.

Fest steht, dass der Bekannte des Pädagogen vom neuen Direktor der betroffenen Schule mit einem Hausverbot belegt wurde, weil dieser in der Schule bzw. am Gelände der Schule regelmäßig Kontakt zu jungen Schülerinnen gesucht haben und in der Schule aus- und eingegangen sein soll.

Bildungsdirektor Himmer: "Aus den Medien erfahren"

Bildungsdirektor Heinrich Himmer bekräftigte am Montag im Gespräch mit der APA, man habe von den Saunafotos und weiteren fragwürdigen Vorgängen erst aus dem Medien erfahren: "Wir sind keine Ermittlungsbehörde. Wir haben nicht die Möglichkeit, auf Ermittlungserkenntnisse der Staatsanwaltschaft zuzugreifen." Es sei außerdem "extremst schwierig, schnell und zielsicher Zusammenhänge zu Sportvereinen herzustellen", für die der Sportlehrer außerschulisch tätig war. Informationen von dieser Seite wären aber insofern wichtig, als es sich teilweise um dieselben Kinder gehandelt hatte, "Schüler, die bei seinem Sportverein waren", sagte Himmer.

Wie Himmer betonte, sei man darauf angewiesen, dass sich möglichst viele von Übergriffen betroffene ehemalige Schüler melden. Nach jüngsten Berichten über die sich ausweitenden Missbrauchsvorwürfe verschickt die Bildungsdirektion nun Briefe an alle Jahrgänge bis zurück ins Jahr 1996. Außerdem hat die von der Bildungsdirektion eingesetzte Untersuchungskommission ihre Prüfung bis zu diesem Zeitrahmen ausgeweitet. Im November soll es einen ersten vorläufigen Bericht geben. (APA, red, 3.10.2022)