Der erst 34-jährige Hauptmann Ibrahim Traoré erklärte sich zum neuen Machthaber des Landes.

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Berichte über den achten Putsch in der Geschichte Burkina Fasos.

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Dass auch Putschisten nicht vor einem Putsch gefeit sind, musste jetzt der Führer der Militärjunta in dem westafrikanischen Staat Burkina Faso, Paul-Henri Sandaogo Damiba, erfahren. Nach einer mehr als zwei Tage dauernden bewaffneten Konfrontation, die am Freitag in den frühen Morgenstunden in der Hauptstadt Ouagadougou begonnen und bis Samstag zu zahlreichen Gefechten zwischen verschiedenen Lagern der Streitkräfte geführt hatte, räumte der 41-jährige Oberstleutnant am Sonntag seine Niederlage ein und erklärte sich zum Exil in dem westafrikanischen Staat Togo bereit.

Bei einem Fernsehauftritt erklärte sich der erst 34-jährige Hauptmann Ibrahim Traoré kurz später zum neuen Machthaber des Landes: Er verhängte eine nächtliche Ausgangssperre, ließ alle Grenzen schließen und verbot sämtliche Aktivitäten politischer Parteien sowie zivilgesellschaftlicher Gruppen. Trotzdem feierten am Sonntagabend in den Straßen Ouagadougous Hunderte den Sieg der neuen Putschisten und forderten engere Beziehungen des Landes zu Russland statt der traditionellen Verbindung zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich.

Antifranzösische Proteste

Während des zweitägigen Machtkampfs war es zu Ausschreitungen vor der französischen Botschaft in Ouagadougou gekommen, die von Demonstranten mit Brandsätzen beworfen wurde. Auslöser der antifranzösischen Proteste war eine Erklärung des Putschistenführers Traoré: Er bezichtigte Paris, seinem Vorgänger Damiba Unterschlupf zu gewähren. Der bisherige Junta-Chef nutze eine "französische Basis", um "seinen Widerstand zu organisieren", behauptete Traoré. Der Vorwurf wurde aus Paris dementiert: Frankreich sei an den jüngsten Vorgängen in Ouagadougou in keiner Weise beteiligt, hieß es. Später nahm Traoré seine Bezichtigung zurück und rief die Demonstranten zur Besonnenheit auf.

Die antifranzösischen und prorussischen Untertöne des Machtwechsels in Burkina Faso werden unter westlichen Diplomaten mit Sorge verfolgt. Im Nachbarstaat Mali hatte dieselbe Entwicklung zur Einladung der russischen "Wagner-Gruppe" geführt, die sich seit Anfang dieses Jahres mit rund 1.000 Söldnern am Kampf gegen islamistische Extremisten beteiligt. Dabei habe sie bereits wiederholt schwere Menschenrechtsverbrechen begangen, sagt die Uno. Die Präsenz der Wagner-Gruppe führte auch zum Abzug französischer Soldaten aus Mali: Noch immer sind allerdings rund 1.000 Bundeswehrsoldaten in Mali stationiert, die im Rahmen der UN-Mission Minusma die Bevölkerung schützen sollen. Wie dieser Auftrag erfüllt werden kann, ist auch angesichts der russischen Söldner zunehmend umstritten.

Wirkungsloser Kampf gegen Extremisten

Damiba, der erst im Jänner mit einem Putsch an die Macht gekommen war, wird vorgeworfen, im Kampf gegen die Extremisten genauso wirkungslos wie vor ihm der zivile Präsident Marc Roch Kaboré gewesen zu sein. Während der knapp neunmonatigen Herrschaft des Junta-Chefs hatte sich die Zahl der Übergriffe der Extremisten sogar noch vermehrt – diese machen inzwischen weit über die Hälfte des Landes unsicher. Verantwortlich für Damibas Versagen ist nach Auffassung seiner Widersacher auch dessen Nähe zu Frankreich: Sowohl in Mali wie auch im Niger und Burkina Faso wird der ehemaligen Kolonialnation vorgeworfen, die Umtriebe der Islamisten noch zu schüren, statt zu stoppen. Allerdings haben auch die Streitkräfte der drei westafrikanischen Staaten vor allem unter der ländlichen Bevölkerung einen schlechten Ruf: Ihnen werden immer wieder blutige Übergriffe gegenüber Zivilisten vorgeworfen.

Der jüngste Putsch – es ist der neunte innerhalb der Geschichte des seit 1958 unabhängigen Staates – stieß im Ausland auf einhelligen Protest: Sowohl der regionale Staatenbund Ecowas als auch die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen in New York verurteilten den Umsturz. Lediglich der Gründer der russischen Söldnertruppe, "Putins Koch" Jewgeni Prigoschin, begrüßte den erneuten Machtwechsel in Burkina Faso. Ecowas sandte am Montag eine Delegation nach Ouagadougou, um mit der Junta Gespräche aufzunehmen: Befürchtet wird, dass Traoré hinter das Versprechen seines Vorgängers zurückfallen wird. Damiba hatte erst kürzlich die Rückkehr Burkina Fasos zu einer zivilen Regierung bis spätestens im Jahr 2024 zugesichert. (Johannes Dieterich, 3.10.2022)