NÖVP-Chefin Johanna Mikl-Leitner wird ihre absolute Mehrheit aller Voraussicht nach verlieren.

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Franz Schnabl (SPÖ) will sich im Wahlkampf sachlich und konstruktiv geben.

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Dass Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo Landbauer nach der Wahl Landesrat wird, ist nicht fix.

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Helga Krismer führt die Grünen Niederösterreich in die Wahl – diesmal unter besseren Voraussetzungen als 2017.

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Neos-Chefin Indra Collini kann sich einen Zuwachs erhoffen.

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Nichts ist so, wie es einmal war – außer in Niederösterreich. Während sich die Welt in fast allen Bereichen seit 2018 dramatisch verändert hat, bleibt in Österreichs größtem Bundesland zumindest das politische Personal weitgehend konstant: Alle Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten, die bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2018 für ihre Parteien antraten, werden im Jahr 2023 wohl wieder ins Rennen geschickt. Mehr noch: So wie vor fünf Jahren könnte das Bundesland auch die nächste Landtagswahl Ende Jänner abhalten. Zumindest gehen die meisten Stimmen in St. Pölten von einem Wahltag am 29. Jänner aus. Dem Vernehmen nach wurde eine mögliche Location für die Party am Wahlabend bereits gebucht.

Offiziell entscheidet die Landesregierung Mitte November über den Termin. Vor allem die absolut regierende Volkspartei von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner dürfte ein Interesse an einem möglichst frühen Wahlsonntag haben: Das traditionell pralle Wahlkampfbudget verpulvert sie gerne in möglichst kurzer Zeit.

Warten auf die Sonderprüfung

Dazu kommt die Sonderprüfung des Landesrechnungshofs, bei der Inserate von landeseigenen und landesnahen Unternehmen in Parteimedien unter die Lupe genommen werden sollen. Die Arbeit der Prüferinnen und Prüfer dauert noch an – ein Ergebnis nach der Wahl würde der Volkspartei entgegenkommen.

Freilich wird Niederösterreich schon nach der Bundespräsidentenwahl im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Nicht zuletzt, weil es auch für die ÖVP um viel geht. Einerseits für die niederösterreichische Landespartei und andererseits für Mikl-Leitner persönlich: Dass die vor fünf Jahren so knapp errungene absolute Mehrheit dahin ist, scheint sicher. Die neue Schmerzgrenze liegt bei der symbolisch wichtigen 40-Prozent-Marke. Fällt die Partei darunter, ist auch Mikl-Leitners Job an der Spitze von Partei und Land in Gefahr.

"Miteinander" mit Amtsmalus

Auch der niederösterreichische Einfluss in der Bundespartei würde damit bröckeln. Das wären schlechte Nachrichten für Kanzler Karl Nehammer, der aktuell maßgeblich von Mikl-Leitner gestützt wird. Umgekehrt gilt: Schlägt sich die niederösterreichische Volkspartei bei der Landtagswahl besser als erwartet, sind das gute Nachrichten für Nehammer.

Um den Erfolg zu sichern, will die Volkspartei möglichst lange am "Miteinander" festhalten. Unter diesem Schlagwort der konstruktiven Zusammenarbeit bindet Mikl-Leitner ihre Proporz-Regierungspartner SPÖ und FPÖ an sich. Auch wenn diese das längst als Marketingschmäh abtun. Das Beharren auf dem "Miteinander" soll der Bevölkerung einerseits möglichst lange den Eindruck vermitteln, dass das Land (also die ÖVP) arbeitet, statt wahlzukämpfen. Andererseits zeigte sich bei der Landtagswahl in Tirol, dass Regierungsparteien in Zeiten multipler Krisen durchaus mit einem Amtsinhaber-Malus zu kämpfen haben – und so ergibt es aus taktischer Sicht für Mikl-Leitner Sinn, die Wählerinnen und Wähler auch an die Regierungsverantwortung von Rot und Blau zu erinnern.

Roter Programmwahlkampf

Die SPÖ plant ohnehin einen betont konstruktiven Wahlkampf. Landeshauptfraustellvertreter Franz Schnabl wurde gerade erst von seiner Parteibasis im Amt bestätigt, nun soll die Bevölkerung davon überzeugt werden, dass die Sozialdemokratie die besseren Konzepte hat als die Volkspartei. Angriffe auf Mikl-Leitner werden demnach eher wohldosiert erfolgen und Fundamentalopposition von der Regierungsbank aus (auch das hat die SPÖ schon probiert) zurückgefahren.

Einen Mobilisierungswahlkampf wird die FPÖ versuchen. Die Sorge bei den Blauen ist, dass Menschen, die von der Politik insgesamt frustriert sind, gar nicht erst zur Wahl gehen. Sie vom Protesteffekt einer Stimme für die Freiheitlichen zu überzeugen wird die große Herausforderung für die Partei. Klubobmann Udo Landbauer könnte auf diesem Posten bleiben: Er war ja 2018 als Landesrat vorgesehen gewesen, nach der Liederbuchaffäre übernahm Gottfried Waldhäusl diesen Job. Der fühlt sich allerdings sichtlich wohl in der Regierung – und Landbauer fühlt sich in der Opposition gegen Mikl-Leitner vom Landtag aus gut aufgehoben. Sollte es also nach der Wahl zu keiner echten Koalition mit der ÖVP kommen, könnte die Jobverteilung zwischen Waldhäusl und Landbauer bestehen bleiben.

Grün-pinke Zerrüttung

Die schlechten Sympathiewerte für Regierungsparteien wirken auch aus der Bundespolitik in die Länder – das könnten auch die Grünen zu spüren bekommen, die zwar in Niederösterreich in der Opposition sitzen, im Bund aber regieren. Trotz allem stehen die Grünen 2023 jedenfalls besser da als bei der letzten Landtagswahl: Damals war die Partei auf Bundesebene gerade aus dem Nationalrat geflogen, Landessprecherin Helga Krismer musste ihr privates Haus als Sicherheit für den Wahlkampfkredit aufs Spiel setzen. Nun startet die Landespartei nach eigenen Angaben schuldenfrei in den Wahlkampf.

Das Verhältnis zur zweiten Oppositionspartei im niederösterreichischen Landtag ist zerrüttet: Grüne und Neos werben um ein ähnliches Wählersegment und sehen sich jeweils selbst als die einzig wahre Opposition. Die Zusammenarbeit ist phasenweise entweder schwierig oder inexistent. Die Pinken, die unter Landessprecherin Indra Collini erst 2017 in den Landtag eingezogen sind, kämpfen noch mit schwachen Strukturen in den Gemeinden, profitieren aber von einem bundesweit soliden Image. (Sebastian Fellner, 4.10.2022)