Mindestpensionisten erhalten ein Plus von 10,2 Prozent, zwei Drittel aller Pensionistinnen "mindestens 8,2 Prozent", wie Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) bekanntgab.

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Die Regierung wollte nicht mehr länger warten. Ohne die finale Einigung mit den Seniorenvertretern zu suchen, haben ÖVP und Grüne die nächstjährige Pensionserhöhung vereinbart. Besonders Menschen mit geringem Einkommen seien der Koalition am Herzen gelegen, beteuerte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) bei der Präsentation am Dienstagmorgen: Schließlich litten gerade diese unter der Preisexplosion.

Die Ausgangslage: An sich schreibt ein Gesetz vor, dass die Pensionen jedes Jahr automatisch an die Inflation angepasst werden. Doch der Berechnungszeitraum liegt recht weit zurück, im aktuellen Fall ist die Teuerung von August 2021 bis Juli 2022 maßgeblich. Daraus ergibt sich "nur" eine Erhöhung von 5,8 Prozent – die Inflation ist mittlerweile aber bereits auf über zehn Prozent geklettert. Grund für die Regierung, einiges draufzulegen.

Dabei ist eine soziale Staffelung vorgesehen: Bezieher und Bezieherinnen der Ausgleichszulage – eine Art Mindestpension – dürfen im kommenden Jahr laut Angaben der Koalition mit einem Einkommensplus von 10,2 Prozent rechnen. Das gilt für rund 200.000 Personen, also knapp zehn Prozent der Pensionistinnen und Pensionisten.

Mit dem gemeinsamen Griff zum Blatt, auf dem die Staffelung abgebildet ist, wollen ÖVP-Klubchef August Wöginger und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) Einigkeit demonstrieren.
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Zwei Drittel erwarte ein Plus von mindestens 8,2 Prozent, rechnen Rauch und ÖVP-Klubchef August Wöginger vor. Nur das oberste Fünftel müsse sich mit den gesetzlich vorgesehenen 5,8 Prozent begnügen. Ausnahme: Sogenannte Luxuspensionen ab 5.670 Euro – es handelt sich etwa um Sonderpensionen wie in der Nationalbank – werden lediglich mit einem Pauschalbetrag von 329 Euro aufgebessert.

Wie sich die sozial gestaffelte Aufbesserung laut Angaben der Regierung je nach Pensionshöhe (gerechnet für das heurige Jahr) auswirkt.

Allerdings erfolgt die soziale Staffelung, die Rauch und Wöginger als "treffsicher" loben, nicht über eine generelle Pensionserhöhung, sondern über Einmalzahlungen. Das hat für die Regierung den Vorteil, dass die Kosten nicht über das kommende Jahre hinaus mitgeschleppt werden. Die Pensionsanpassung 2024 wird somit nur von der Basis der 5,8 Prozent von 2023 berechnet.

Das konkrete Modell ist einigermaßen kompliziert. Erst einmal werden alle Pensionen mit Ausnahme der Topbezüge um die gesetzlichen 5,8 Prozent angehoben. Dazu kommt eine soziale Staffelung über eine steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung. Bis zu einer Bruttopension von 2.000 Euro beträgt dieser Bonus 30 Prozent der Pensionsleistung, gedeckelt mit maximal 500 Euro. Bis 2.500 Euro brutto nimmt die Zuzahlung via Ausschleifregelung ab. Darüber hinaus sind nur mehr die 5,8 Prozent fällig.

Bezieher einer Ausgleichzulage bekommen zusätzlich zu den 5,8 Prozent und der Direktzahlung auch einen monatlichen Pauschalbetrag von 20 Euro. Der Ausgleichszulagen-Richtsatz steigt damit von 1.030 auf 1.110 Euro.

Rauch: Keine "Alibizahlungen"

Die Direktzahlungen verteidigte Rauch bei der Pressekonferenz gegen die Kritik, die etwa aus der SPÖ tönt. Diese Zuschüsse seien generell "zu Unrecht in Verruf geraten". Er halte es für despektierlich, diese als Alibizahlungen darzustellen. Immerhin handle es sich um viel Geld – und das komme direkt bei den Menschen an. Es gehe um eine "Überbrückung" bis zur Pensionserhöhung 2024, in der sich laut der gesetzlichen Vorgaben die aktuell besonders hohen Inflationsraten niederschlagen werden.

Die reguläre Pensionserhöhung setzt mit Jänner 2023 ein, die Direktzahlungen sollen im März fließen. Warum nicht schon vor dem heizkostenintensiven Winter? Im Herbst kämen viele der mit den allgemeinen Entlastungspaketen beschlossenen Zahlungen an, argumentiert Rauch, da biete sich das Frühjahr für die nächste Tranche an. Damit sich das alles ausgeht, erläutert Wöginger, soll das Pensionspaket Mitte Oktober im Nationalrat beschlossen werden.

Kosten soll das insgesamt vier Milliarden Euro, wobei sich die Einmalzahlungen mit 650 Millionen zu Buche schlagen.

Pensionistenverband sieht "Mogelpackung"

Dass die Pensionistenvertreter nicht in die finalen Gespräche eingebunden wurden, stößt dem Präsident des SPÖ-Pensionistenverbandes, Peter Kostelka, bitter auf. Auch inhaltlich hat er am Paket einiges auszusetzen: Von "türkis-grüner Jubelmathematik" war auf einer Pressekonferenz am Dienstag die Rede. Denn sowohl die gesetzliche Erhöhung von 5,8 Prozent als auch das Aufstocken der Mindestpensionen könne die Inflation nicht ansatzweise abdecken, kritisierte Kostelka. Das Pensionsplus reiche schlicht nicht aus.

Seine harsche Kritik bezieht sich einerseits auf die geplanten Direktzahlungen. Diese seien in Wahrheit nichts anderes als "undurchschaubare und kompliziert berechnete" Einmalzahlungen, die nicht nachhaltig die Pensionsbasis erhöhen. Auch hätte ein anderer Berechnungszeitraum – wenn etwa das gesamte Jahr 2022 herangezogen worden wäre – ein Plus von 8,5 Prozent statt nur 5,8 Prozent gebracht. Auch die Neo-Pensionistinnen sieht er durch die Pensionskürzung – trotz Nachbesserung vonseiten der Regierung – ungerecht behandelt. Sein Resümee: "Das heute vorgestellte Modell ist kompliziert, unfair, nicht nachhaltig und eine Mogelpackung."

Opposition übt Kritik

"Lassen Sie sich nicht täuschen", empfiehlt auch der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried, es gebe bloß eine Erhöhung um 5,8 Prozent und dazu Einmalzahlungen, die allerdings "verpuffen" würden: Die Rechnungen stiegen "explosionsartig" und ließen Menschen mit kleinen Pensionen verarmen. Wie Kostelka plädiert auch Leichtfried dafür, den gesetzlichen Anpassungswert von Jänner bis Dezember für die Pensionsanpassung heranzuziehen. Dass die Pläne der Regierung nachhaltiger fürs Budget seien, ließ er nicht gelten: So, wie man es jetzt mache, "lässt man die Menschen im Stich".

Kritik kam ebenso von der freiheitlichen Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch: "Das heute von ÖVP und Grünen präsentierte Pensionspaket für 2023 klingt zwar auf den ersten Blick 'recht nett', entlarvt sich jedoch beim genaueren Hinsehen als reine Rosstäuscherei und ist weit davon entfernt, ein Maßnahmenpaket zu sein." Sie fordert eine "echte Inflationsanpassung", also etwa eine vierteljährliche Anpassung bei einer Inflationsentwicklung über zehn Prozent.

Neos-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker lobte hingegen, dass die Bundesregierung den "völlig überzogenen Forderungen der Pensionistenvertreter" nicht nachgegeben habe. Dies lasse leise hoffen, dass ÖVP und Grüne langsam erkennen, dass das Geld nicht gänzlich abgeschafft sei. "Das, was im Endeffekt herausgekommen ist, ist gerade noch vertretbar." (Gerald John, Elisa Tomaselli, APA, 4.10.2022)