Stahlrohre, wie sie in Nord Stream 2 verbaut wurden. Ummantelt sind sie mit Beton.
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Über zwei Millionen Tonnen Stahl – so viel Material ist in nur einer Röhre von Nord Stream 1 enthalten. Die Zahl zeigt die Dimension dieser Megaprojekte. Jede der Röhren hat dabei einen Innendurchmesser von etwas mehr als einem Meter. Der Druck des Erdgases im Inneren beträgt zwischen dem Hundert- und dem Zweihundertfachen des Atmosphärendrucks.

Das bedeutet eine ungeheure Energiemenge, die bei Beschädigung der auf einer Länge von über 1.200 Kilometern miteinander verschweißten Rohre frei wird und schnell große Mengen Gas ausströmen lässt.

Am 26. September wurde ein Abfallen des Drucks in Nord Stream 2 von etwas über 100 Bar auf nur noch sieben Bar beobachtet. Der Verdacht eines Lecks erhärtete sich bald, inzwischen sind vier Lecks bestätigt. Meldungen von einem Ende des Gasaustritts erwiesen sich als voreilig.

Eines der Gaslecks auf einem Bild vom 29. September. Inzwischen strömt hier kein Gas mehr aus.
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Eines der größten Lecks der Geschichte

Beim deutschen Umweltbundesamt schätzt man, dass es sich um über 300.000 Tonnen Methan handelt, die in die Atmosphäre gelangt sind. Weil Methan deutlich klimaschädlicher ist als CO2, ist das vergleichbar mit dem Ausstoß von 7,5 Millionen Tonnen CO2, was einem Prozent der jährlichen deutschen Treibhausgasemissionen entspricht. Es handelt sich damit um eines der größten Methanlecks an einem einzigen Ort in der Geschichte.

Das vierte Nord-Stream-Leck, das am vergangenen Donnerstag entdeckt wurde.
DER STANDARD

Im Vergleich zu einem globalen jährlichen Methanausstoß von geschätzt 570 Millionen Tonnen ist die Menge allerdings gering. Kleinere Lecks von Pipelines sind keine Seltenheit und werden meist aus wirtschaftlichen Gründen nicht repariert. Die Ölindustrie entlässt laufend riesige Mengen Methan in die Atmosphäre, etwa fünfmal mehr als bisher angenommen, wie kürzlich eine Studie enthüllte.

Pipelines zu reparieren ist möglich, immer wieder gibt es Schäden durch Schiffsanker, die ausgebessert werden. Das Leck bei Bornholm liegt in weniger als 100 Metern Tiefe, bei so geringer Tiefe ist es möglich, die Rohre mit Schiffen an die Oberfläche zu ziehen und beschädigte Teile zu ersetzen.

Methan, das gegenüber CO2 den Vorteil einer Verweilzeit von nur etwa zehn Jahren in der Atmosphäre hat, ist für fast die Hälfte der aktuell gemessenen Erderwärmung verantwortlich. Ein Stopp des Methanausstoßes hätte also eine große Wirkung. Um das zu erreichen, plädieren Fachleute für einen möglichst schnellen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. (Reinhard Kleindl, 5.10.2022)