Angesichts des Klimawandels, der Energiekrisen und unsicheren Bezugsquellen steigt die Notwendigkeit, sich alternativen Strategien zuzuwenden. Ein Baustein einer Zukunft ohne fossile Brennstoffe, auf den auch viele Forschende ihre Hoffnungen setzen, ist der Wasserstoff. Mittlerweile ist der Hype um den grünen Wasserstoff ein wenig abgeebbt – unter anderem, weil er sich für die Mobilität weniger eignet als für die Energiespeicherung.

Wasserstoff hat einen geringeren Wirkungsgrad als Elektroantriebe. Daher eignet er sich vor allem als Energiespeicher.
Foto: imago images/Jochen Eckel

Das spiegelt sich auch in der Wasserstoff-Strategie bis 2030 der österreichischen Bundesregierung wider. Laut dem im Juni 2022 veröffentlichten Papier soll Wasserstoff zumindest im Bereich der Mobilität nur in Ausnahmefällen, etwa bei überregionalem Lkw- oder Busverkehr, eingesetzt werden. Völlig unvernünftig ist das nicht, der Wirkungsgrad von elektrischen Fahrzeugen liegt aktuell noch weit über jenem von Brennstoffzellen.

Elektrolyse ...

Das liegt unter anderem daran, dass die Gewinnung von Wasserstoff per Elektrolyse Strom verbraucht. Stammt der Strom aus regenerativen Quellen, spricht man von grünem Wasserstoff. Beim sogenannten PEM-Elektrolyseur verwandeln zwei Elektroden destilliertes oder aufbereitetes Wasser mithilfe einer Membran in Wasserstoffgas (H2). Die Brennstoffzelle kehrt den Prozess um, und die Energie lässt sich zum Großteil zurückgewinnen. Übrig bleibt wiederum Wasserdampf!

Mittlerweile laufen auch Untersuchungen, wie sich diese Speichertechnologie nutzen lässt, um sich von der Wetter- und Tageszeitabhängigkeit von Photovoltaik und Windenergie abzukoppeln. Dadurch könnte Wasserstoff nicht nur dabei helfen, die Stromnetze gleichmäßiger auszulasten, die Regionalisierung der Stromerzeugung wäre auch ein guter Schutz, sollte es doch zu einem größeren Blackout kommen.

... oder Photosynthese

Könnte man grünen Wasserstoff in industriellem Maßstab durch lichtgetriebene Wasserspaltung gewinnen, wäre das noch einmal deutlich nachhaltiger. Der Ablauf entspricht im Grunde der Photosynthese-Reaktion von Pflanzen, die auf einem komplexen molekularen Apparat beruht, dem sogenannten Photosystem II. Will man mit dieser Methode Wasserstoff herstellen, muss man dessen aktives Zentrum nachbauen. Ein Team von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) ist diesem Ziel einen entscheidenden Schritt näher gekommen.

Enzym-ähnliche Wasserorganisation vor einem Ruthenium-Wasseroxidations-Katalysator.
Grafik: Team Wuerthner/Universität Würzburg

Die Spaltung des Wassermoleküls ist keine banale Angelegenheit. Um Wasserstoff zu erhalten, muss man aus zwei Wassermolekülen den Sauerstoff entfernen, das bedeutet: vier Elektronen und vier Protonen. Für diese oxidative Reaktion nutzen Pflanzen ein komplexes Gebilde als Katalysator, das aus einem Cluster mit vier Mangan-Atomen besteht, über die sich die Elektronen verteilen können.

Vielversprechende katalytische Aktivität

Die Würzburger Gruppe um Frank Würthner hat vor einigen Jahren eine ähnliche Lösung entwickelt, eine Art "künstliches Enzym" aus drei miteinander agierenden Ruthenium-Zentren, das den ersten Schritt der Wasserspaltung erledigen kann. Nun ist es den Chemikerinnen und Chemikern der JMU gelungen, die anspruchsvolle Reaktion mit einem einzigen Ruthenium-Zentrum effizient ablaufen zu lassen. Wie sie im Fachjournal "Nature Catalysis" berichten, wurden dabei sogar ähnlich hohe katalytische Aktivitäten wie im Photosynthese-Apparat von Pflanzen beobachtet.

"Möglich wurde dieser Erfolg, weil unser Doktorand Niklas Noll eine künstliche Tasche um den Ruthenium-Katalysator geschaffen hat. Darin werden die Wassermoleküle für den gewünschten protonengekoppelten Elektronentransfer vor dem Ruthenium-Zentrum in einer genau definierten Anordnung arrangiert, ähnlich wie es in Enzymen geschieht", sagt Würthner.

Das Team ist davon überzeugt, dass sich dieses Prinzip auch zur Verbesserung anderer katalytischer Prozesse eignet. Langfristig wollen es die Forschenden schaffen, den Wasseroxidations-Katalysator in ein künstliches Bauteil einzubauen, damit es mit weiteren Komponenten zu einem funktionierenden Gesamtsystem wird. (tberg, red, 5.10.2022)