Die Yeah Yeah Yeahs waren früher cool, heute wollen sie es gerne kühler: "Cool It Down".

Foto: Secretly Canadian

Es fängt nicht gut an. Zwar liest sich der Liedtitel wie eine Ansage: Spitting Off the Edge of the World. Das klingt nach schlechter Laune, nach Mundwinkeln, wie sie der kleine Gitarrist der Band trägt, Nick Zinner, ein Antlitz wie 20 Jahre Sodbrand. Doch statt dort, am Ende der Welt, etwas Besonderes zu tun, weht es nur eine Synthie-Blähung herüber: klingt wie der Rundablage von Ultravox entnommen.

Dabei sollte es ein Statement sein: "Wir sind wieder da!" So beschreibt Sängerin Karen O den Song in aktuellen Interviews, doch ihre Euphorie darüber überträgt sich nicht. Karen Lee Orzolek ist die Stimme der Yeah Yeah Yeahs, die nach fast zehn Jahren Pause ihr Comebackalbum veröffentlicht haben. Doch der Opener weckt wenig Interesse daran.

Auch der zweite ist eher Hürde als Einladung zum Weiterhören. Rachitischer Bombast, dazu die intim in den Vordergrund produzierte Stimme von Karen O, die versucht, dem Titel Lovebomb irgendeine Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dann aber.

Allerweltspop

Mit dem dritten Lied wird das Album Cool It Down heißer, das Trio kommt in Fahrt und erinnert daran, warum es in den Nullerjahren zu den besten Acts aus New York zählten. Dabei ist selbst Wolf immer noch ein allerweltsmäßiger Popsong, aber doch um ein paar Stockwerke höher gebaut als die beiden Flachwurzler davor. Und ab dann wird es tatsächlich besser, geht ja.

David Dean Burkhart

Die Yeah Yeah Yeahs begannen als Absolventen der Rock-’n’-Roll-Hauptschule, A-Zug, also im Falle dieses Fachs der schlechtere. Sie versuchten sich um die Jahrtausendwende an Garagenpunk, an Vorbildern wie den Cramps oder der Jon Spencer Blues Explosion, bogen dann aber ab in Richtung eines gefälligeren Alternative Rock.

Der boomte gerade, und die Yeah Yeah Yeahs hatten mit Orzolek am Mikro eine exaltierte Sängerin, die dem Unternehmen einen gewissen Glam verlieh. Sie wurde als jemand wie die Madonna des Undergrounds gehandelt.

Helfende Hände

Den Rest besorgte eine Positionierung inmitten damals hipper Bands wie des LCD Soundsystem oder TV on the Radio, deren David Sitek der Gruppe bis heute als Produzent und helfende Hand erhalten geblieben ist.

Der Erfolg war beträchtlich und begründete Karrieren, die sich selbst in der Pause seit dem letzten Album hielten. Zinner ist ein umtriebiger Gitarrist und Produzent und betreibt diverse Nebenprojekte, Drummer Brian Chase bastelt Drones und kiefelt am Jazz – und Orzolek wurde 2015 Mutter eines Sohnes, Django, und veröffentlichte vor drei Jahren das vielgelobte und wenig gekaufte Album Lux Prima, eine Zusammenarbeit mit Produzent Brian Burton alias Danger Mouse. Die 43-Jährige war es schließlich auch, die die Yeah Yeah Yeahs aus dem Schlummer des Vergessens holte und reaktivierte.

Yeah Yeah Yeahs - Topic

Das Leben in New York City als Dauerthema offenbart sich in dem bei Velvet Underground ausgeborgten Albumtitel, ein Song wie Fleez, der vierte, blickt dann ein Stück weiter zurück in die Geschichte der Stadt und ihrer Musik.

EP statt LP

Er bezieht seinen Groove bei den Funk-Minimalisten ESG, die zu Beginn der 1980er-Jahre zu den angesagtesten Undergroundbands zählten, die die No Wave ebenso begeisterte wie die Jungs oben in der Bronx, die gerade Hip-Hop hochkochten.

Es ist der überzeugendste Titel des mit acht Stücken knapp gehaltenen Werks. Man mag aus Fleez mitnehmen, dass die Yeah Yeah Yeahs mittlerweile in die Jahre gekommen sind, in denen sie selbst nicht mehr ganz vorn dabei sind, sondern sich zurücklehnen. Diese Ruhe beschert dem Publikum noch zwei, drei überzeugende Songs wie das introspektive Blacktop oder das alterweise benannte Different Today.

Als Album hinterlässt das Werk aber einen unvollständigen Eindruck, halbgar, wie der Koch sagt. Vier Songs hätten eine souveräne EP ergeben. Mit dem Format hat die Karriere der Band 2000 begonnen – so zurückzukehren, mit weniger, wäre mehr gewesen. (Karl Fluch, 5.10.2022)