Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Lorenz Mayr, hat kein Verständnis für die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln.

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Sitzendorf an der Schmida / Wien – Die Erdäpfelernte 2022 fällt unter dem Durchschnitt aus. Als Gründe dafür wurden am Dienstag bei einem Pressegespräch von Landwirtschaftskammer Niederösterreich und der Interessengemeinschaft Erdäpfelbau (IGE) Hitze, Trockenheit und enormer Drahtwurmbefall angeführt.

Bis Juni seien die Bedingungen gut gewesen. Anhaltende Hitze und Trockenheit ab Juli hätten allerdings dazu geführt, "dass die Erdäpfelpflanzen weniger Knollen durchgebracht haben. Und: Der Drahtwurm hat sich aufgrund dieser Witterung massiv auf den Erdäpfelfeldern ausgebreitet und viele Knollen angebohrt", wurde betont. Besonders betroffen seien die Erdäpfelbäuerinnen und -bauern im Weinviertel.

Reduktion von Pflanzenschutzmitteln im Green Deal

"Am Beispiel Drahtwurm und Erdäpfel sieht man sehr deutlich, was passiert, wenn keine ausreichenden Pflanzenschutzmaßnahmen durchführbar sind", wurde Lorenz Mayr, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, in einer Aussendung zitiert. Gut wirkende Mittel seien seit einigen Jahren nicht mehr auf dem Markt. "Wir stoßen an die Grenzen des Machbaren." Die Versorgungssicherheit werde dadurch immer mehr gefährdet. "Wir brauchen dringend Strategien und vor allem rasch praxistaugliche Lösungen, um den Drahtwurm an seiner Verbreitung zu hindern", so Mayr, der kein Verständnis für die im Green Deal geplante Reduktion von Pflanzenschutzmitteln hat.

"Wir haben weniger Erträge, aber einen erheblichen Mehraufwand. Denn die vom Drahtwurm befallenen Partien müssen mit viel Personal- und Kostenaufwand aufbereitet und aussortiert werden, um einwandfreie Ware bereitstellen zu können", erklärte Franz Wanzenböck, Obmann der IGE Erdäpfelbau.

Das Ziel müsse sein, "die Eigenversorgung mit österreichischen Lebensmitteln zu erhöhen beziehungsweise zu erhalten", so Mayr und Wanzenböck. Daher brauche es Rahmenbedingungen, zu denen jedenfalls "vernünftige und bedarfsgerechte Pflanzenschutzmaßnahmen" gehörten. Auch der nachhaltige Ausbau der Wasserinfrastruktur wurde genannt.

Kritik von Global 2000

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 kann die Argumentation der Landwirtschaftskammer nicht nachvollziehen: "Denn gerade den konventionellen Landwirten steht in Österreich eine Bandbreite von an die 200 synthetischen Pestizidwirkstoffen zur Verfügung, die in tausenden verschiedenen Formulierungen als sogenannte Pflanzenschutzmittel am Markt sind", teilte die Umweltschutzorganisation mit. Bio-Erdäpfelbauern würden nicht über vergleichbare Ausfälle durch den Drahtwurm klagen, sie "haben gelernt, mit dem Drahtwurm, der jedes Jahr vorkommt, mit Methoden der Bio-Landwirtschaft umzugehen", hieß es zur APA.

Inmitten der Biodiversitäts- und der Klimakrise sollte sich die Landwirtschaftskammer fragen, ob nicht das Produktionssystem, das sie mit aller Kraft zu verteidigen versuche, für die Ernteausfälle verantwortlich sei, teilte Global 2000 mit. "Der Green Deal, mit dem die EU-Kommission einen Systemwandel in der Landwirtschaft anstrebt, kann der Ausweg aus dem Dilemma sein", sagte Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker der Umweltschutzorganisation. (APA, 4.10.2022)