Im Finale gab sich die Regierung eine unnötige Blöße. Indem ÖVP und Grüne die Pensionserhöhung im Alleingang fixierten, verärgerten sie sogar den türkisen Seniorenbund. Zwar hätte sich der auf Opposition gebürstete sozialdemokratische Pensionistenverband womöglich nie zu einem Ja bewegen lassen. Doch die verunglückte Inszenierung macht es den Kritikern besonders leicht, aus allen Rohren zu schießen.

Die Erhöhung der Mindestpension bringt jenen Menschen Geld, die jeden Euro notwendig haben.
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Dabei bietet das Pensionspaket aus sozialer Sicht wenig Angriffsfläche. Die Erhöhung der Mindestpension von 1.030 auf 1.110 Euro im Monat bringt jenen Menschen Geld, die jeden Euro notwendig haben – schließlich lag die Leistung schon vor der Preisexplosion unter der Schwelle für Armutsgefährdung. Was die Regierung sonst noch über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus drauflegt, landet dank Staffelung zu einem guten Teil bei Beziehern mit moderaten Altersbezügen und bleibt budgetär im Rahmen. An den 650 Millionen Euro für die Einmalzahlungen wird das Pensionssystem nicht zerbrechen.

Aber sind einmalige Zuschüsse nicht eine "Mogelpackung" und ein Tropfen auf den heißen Stein, wie die SPÖ pausenlos tönt? Nein. Auf lange Sicht bekommen Pensionisten die Inflation von Gesetzes wegen ja ohnehin abgegolten. Allerdings erfolgt die Kompensation verzögert, weil der maßgebliche Bemessungszeitraum die Vergangenheit widerspiegelt. Um ärmeren Menschen eine finanzielle Überbrückung zu bieten, sind Einmalzahlungen ein passendes Mittel.

Soziale Staffelung

Nicht stichhaltig ist aber auch ein Argument jener Kritiker, die Pensionisten gar kein Extraplus gewähren wollen. Ja, laut Berechnungen haben die bisherigen Entlastungen die Inflation für kleine Einkommen im Schnitt voll ausgeglichen – fürs heurige Jahr. Bei der Pensionserhöhung geht es jedoch um 2023.

Die soziale Staffelung hat auch eine Schattenseite. Werden kleine Pensionen ständig stärker aufgebessert als höhere, höhlt dies das Versicherungsprinzip aus. Wer viele Jahre gearbeitet und lange ins System eingezahlt hat, sollte nicht mit einem mickrigeren Teuerungsausgleich bestraft werden.

Doch wie lässt sich dieses Dilemma auflösen? Wachsende Armut riskieren, damit ein hehres Prinzip gewahrt bleibt? In einer besonderen Situation wie dieser muss die soziale Frage Vorrang haben. Umso mehr sollten Politiker in guten Zeiten aber den Mut beweisen, Rufe nach Extratouren abzuschmettern – indem sie die Pensionen lediglich um die gesetzlich vorgeschriebene Inflationsabgeltung erhöhen. (Gerald John, 4.10.2022)