Sanddornprodukten wird seit langem eine positive Wirkung auf Diabetes Typ 2 nachgesagt. An der FH Oberösterreich gelang es nun, die molekularen Grundlagen dieses Effektes genauer aufzuschlüsseln. Eine wesentliche Rolle für die Wirkung spielt dabei das Flavonoid Isorhamnetin, ein sekundärer Pflanzeninhaltsstoff, der in Sanddorn in hoher Konzentration vorhanden ist. Der Wirkstoff fördert die Glukoseaufnahme in Muskelzellen und ist so in der Lage, den Blutzuckerspiegel zu senken.

Diverse Inhaltsstoffe von Sanddorn haben eine blutzuckersenkende Wirkung.
Foto: PantherMedia / Mykola Lunov

Auch vorbeugend wirksam

Der Einsatz sei sowohl therapiebegleitend bei an Diabetes Typ 2 Erkrankten als auch präventiv sinnvoll, fasst das Forschungsteam unter der Leitung von Nicole Ollinger und Julian Weghuber zusammen. Diabeteserkrankte könnten davon profitieren, indem sie weniger Insulin spritzen müssen, erklärt Weghuber. Auch bei Prädiabetikern und Prädiabetikerinnen könne man die Insulinwerte mit diesen pflanzlichen Wirkstoffen eventuell verbessern, noch bevor man Insulin injizieren müsse. Gefördert wurde die wissenschaftliche Arbeit von der Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft.

Bei Gesunden senkt der Körper den Blutzuckerspiegel im besten Fall selbst, indem er den Blutzucker im Muskel- und Fettgewebe aufnimmt – der Blutglukosespiegel sinkt. Bei Diabeteserkrankten funktioniert diese Aufnahme in Fett- und Muskelzellen schlechter, der Blutzuckerspiegel bleibt zu hoch. "Das Gemeine daran ist, es tut nicht weh, man merkt es erst dann, wenn es zu spät ist", sagt Weghuber. Das sei das Heimtückische an der Zuckerkrankheit.

Ein chronisch zu hoher Blutzuckerspiegel, die Hyperglykämie, führe zu Gefäßschädigungen und damit einhergehend zu einer schlechteren Durchblutung. Im schlimmsten Fall können diese Schädigungen dazu führen, dass das Gewebe abstirbt. So erleidet jede vierte Person mit langjährigem Diabetes ein diabetisches Fußsyndrom. Auch mikrovaskuläre Schädigungen, beispielsweise im Auge, können möglich sein. Präventive Maßnahmen seien deshalb sehr wichtig, gerade bei Personen, in deren Familien Diabetes Typ 2 auftrete.

Nicht nur Ältere betroffen

Dass diese Form auch als Altersdiabetes bezeichnet wird, ist Weghuber zufolge nicht mehr richtig. Mittlerweile seien insbesondere auch Kinder von der Krankheit betroffen, als deren Hauptrisiko Übergewicht und falsche Ernährung gilt. "Diabetes ist ein globales Problem, rund zehn Prozent aller Menschen weltweit sind erkrankt, wobei Typ 2 signifikant dominiert." Als Ausnahme gelte Japan. "Dort ist die Ernährung eher fischbasiert, dadurch ist die Rate an Adiposen und folglich auch an Diabeteserkrankten viel geringer als im Rest der Welt", sagt Weghuber.

Der Sanddornstrauch produziert ab Spätsommer leuchtende Beeren. Diese, aber auch andere Bestandteile wirken sich positiv auf die Glukoseaufnahme aus.
Foto: Imago/McPhoto

Ein Therapieansatz wäre, zu verhindern, dass im Darm zu große Mengen an Kohlehydraten resorbiert werden. Wenn man Hemmstoffe findet, die die Kohlehydratresorption im Darm zumindest einschränken, vermeide man so auch Zuckerspitzen im Blutkreislauf.

In ihrer Forschung haben die Forschenden die Wirkung von Sanddorn auf den Zuckerstoffwechsel anhand geeigneter Zellkultursysteme getestet. "Es gibt für jedes menschliche Gewebe bestimmte Zellen, die man in vitro, also außerhalb eines lebenden Organismus, halten kann", sagt Weghuber. In dem Fall habe man Adipozyten verwendet, also Fettzellen, die im Körper die Glukose aufnehmen. Auch Tests mit intestinalen Zelllinien oder Bauchspeicheldrüsenzellen seien durchgeführt worden, nur hatten diese Tests eine beschränkte Aussagekraft, erklärt der Forscher.

Wunderwaffe Sanddorn

Die Forschung mit In-vivo-Systemen, also lebendigen Organismen wie Fadenwurm und Fruchtfliege, sowie in ovo mit Hühnerembryo-Modell, ergab, dass alle Bestandteile von Sanddorn maßgeblich an der Senkung des Blutzuckerspiegels beteiligt sein können. Anhand des Hühnerembryo-Modells konnten die Forschenden etwa feststellen, dass nach Zugabe von Insulin und anschließend einem Sanddornextrakt der Blutzuckerspiegel signifikant sinkt.

Über die Membran diffundiert der Extrakt in das Ei-Innere, wird passiv aufgenommen und kann dann im Embryo seine Wirkung entfalten. Der Hühnerembryo, der bis Tag 16 kein entwickeltes Nervensystem und daher kein Schmerzempfinden hat, reagiert auf Insulin, stellt aber selbst noch keines her. Auch bei den In-vivo-Systemen konnte diese Beobachtung bestätigt werden. Dem Fadenwurm und der Fruchtfliege wurden die Sanddornextrakte jeweils in ihr Futter gemischt. "Man glaubt gar nicht, wie ähnlich Fadenwürmer dem genetischen Portfolio von Menschen sind", erklärt Weghuber.

Nicht unbedingt Extrakte notwendig

Die Forschung habe aber auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet. So habe man herausgefunden, dass auch der bei der Produktion von Sanddornöl und Sanddornsaft entstehende Presskuchen dieselbe positive Wirkung erziele. Um von den guten Eigenschaften des Gewächses profitieren zu können, sei es folglich nicht unbedingt notwendig, einen teuren Extrakt herzustellen.

Auch hinsichtlich einer der Diabetesursachen, des Übergewichts, können Sanddornprodukte dem Forscher zufolge einen positiven Einfluss nehmen. "Da sind sehr viele Inhaltsstoffe drin, die in Bezug auf den Stoffwechsel unterstützend wirken", sagt Weghuber. Auch in diesem Zusammenhang sei der Sanddorn ein interessanter Rohstoff. (Lea Weinberg, 9.10.2022)