Präsident Ebrahim Raisi bezeichnete die regierungskritischen Proteste kürzlich als Verschwörung gegen die Führung des Landes.

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Teheran – Der Iran hat im Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten erneut den britischen Botschafter in Teheran ins Außenministerium zitiert. Der britischen Regierung werde illegitime Einmischung und die Verbreitung von falschen und anstachelnden Informationen über die Proteste vorgeworfen, erklärte das iranische Außenministerium am Mittwoch.

Mit der Veröffentlichung solcher Informationen sei London an den "Inszenierungen" iranischer Oppositionsgruppen in Großbritannien gegen die Islamische Republik beteiligt, hieß es. Wegen der kritischen Berichterstattungen von in London ansässigen persischsprachigen Nachrichtensendern war der britische Botschafter schon vergangene Woche vorgeladen worden. Auch der Botschafter Norwegens sowie der Geschäftsträger der französischen Botschaft in Teheran wurden wegen Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes ins Außenministeriums bestellt.

Iran warnt EU

Der Iran hat die Europäische Union vor "unüberlegten Maßnahmen" gewarnt. "Falls die EU (bezüglich der Proteste) hastige und unüberlegte Maßnahmen ergreifen sollte, sollte sie sich auf effektive Gegenmaßnahmen des Irans einstellen", sagte Außenminister Hussein Amirabdollahian in einem Telefonat am Mittwoch mit seinem italienischen Amtskollegen Luigi Di Maio.

Der Iran respektiere die Forderungen seines Volkes, nicht aber vom Ausland und Terroristen organisierte Ausschreitungen. "Das iranische Volk werde dem Ausland niemals erlauben, mit solchen Methoden die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität des Landes zu gefährden", so der iranische Chefdiplomat laut Nachrichtenagentur Isna.

Auslöser der Demonstrationen im Iran war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie wegen ihres angeblich "unislamischen Outfits" festgenommen. Was mit Amini danach geschah, ist unklar. Sie fiel ins Koma und starb am 16. September in einem Krankenhaus. Kritiker werfen der Sittenpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben; die Polizei weist das zurück. Seit Aminis Tod demonstrieren landesweit tausende Menschen gegen die Regierung und das konservative islamische System.

Französische Solidarität

Aus Solidarität haben sich mehr als 50 französische Schauspielerinnen und andere Prominente Haarsträhnen abgeschnitten. "Für die Freiheit", sagt die Schauspielerin Juliette Binoche am Anfang eines gut zwei Minuten langen Videos, das sich am Mittwoch im Internet verbreitete. In Zwischentexten wird Aminis Geschichte erzählt. "Ihr wurde lediglich vorgeworfen, das Kopftuch nicht korrekt getragen zu haben", heißt es in dem Video. "Sie starb, weil sie ein paar Haarsträhnen sehen ließ. Das Abschneiden der Haare wurde seither zum politischen Statement.

Baquer Namazi durfte Iran verlassen

Indes hat ein jahrelang im Iran festgehaltener US-Bürger das Land verlassen. Wie das iranische Staatsfernsehen berichtete, reiste der frühere Uno-Mitarbeiter Baquer Namazi am Mittwoch in den Oman aus. Die Uno hatte vor einigen Tagen mitgeteilt, dass es dem früheren Mitarbeiter ihres Kinderhilfswerks UNICEF erlaubt worden sei, den Iran "für medizinische Behandlungen im Ausland zu verlassen". Auch wurde Namazis Sohn, der 50-jährige Siamak Namazi, im Iran aus der Haft entlassen, wie Uno-Sprecher Stéphane Dujarric am Sonntag bekanntgegeben hatte.

Baquer Namazi durfte den Iran verlassen.
Foto: AP/The Namazi family

Der nun ausgereiste Baquer Namazi war im Februar 2016 im Iran festgenommen worden, wohin er gereist war, um die Freilassung seines Sohnes zu erwirken. Siamak Namazi war wegen des Vorwurfs der Spionage verhaftet worden. Beide Namazis wurden dann im Oktober 2016 wegen Spionage zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der Vater wurde 2018 aus medizinischen Gründen aus dem Gefängnis entlassen und unter Hausarrest gestellt. Die jetzige Ausreise von Baquer Namazi und die Haftentlassung seines Sohns erfolgten vor dem Hintergrund der diplomatischen Bemühungen, das internationale Abkommen zum iranischen Atomprogramm wiederzubeleben. Dazu finden Verhandlungen in Wien statt, die allerdings seit Monaten feststecken. (APA, red, 5.10.2022)