Warum müssen manche an Covid erkrankte ins Krankenhaus zur Behandlung und andere nicht? Neue Studien geben Hinweise darauf. Sie sollen neue Ansatzpunkte zur Behandlung liefern.

Foto: Werner Dedl, Berufsfotograf

Corona dürfte bei manchen Menschen die angeborene Immunabwehr verwirren. Diese reagiert besonders stark, deshalb kommt es zu einem schweren Verlauf. Das haben Forschende der deutschen Universitätsklinik Freiburg im Breisgau herausgefunden. Die Studie dazu ist im Fachblatt "Nature Communications" erschienen.

Das Team konnte nachweisen, dass sogenannte Immunkomplexe dabei eine wichtige Rolle spielen. Diese entstehen aus der Verbindung körpereigener Moleküle, die eine Immunantwort ausgelöst haben, mit Antikörpern.

Diese Verbindung aktiviert in der Folge Immunzellen über spezifische Oberflächenrezeptoren übermäßig stark, wodurch das Immunsystem unkontrolliert angetrieben wird. Da die Immunkomplexe im Blut auftreten, verteilen sich die Entzündungen im gesamten Körper. Und eben durch diese zu starke Immunreaktion könne es zu Gewebeschäden, Organversagen und Tod kommen.

Immunreaktion macht auch "Brainfog"

Auch das Gehirn kann unter dieser Immunreaktion leiden, wie Wissenschafter des King's College London herausfanden. Die Studie wurde soeben in "Molecular Psychiatry" publiziert. Demnach erhöht eine unberechenbare Immunantwort auf das Virus die Todesrate von Neuronen und hat dadurch einen tiefgreifenden Einfluss auf die Regeneration in der Hippocampus-Region des Gehirns. Dieser Bereich ist für Lernen und Gedächtnis entscheidend.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Covid bei Erkrankten neurologische Probleme auslösen kann, ohne dass das Virus das Gehirn selbst infizieren muss. Es wird angenommen, dass der Prozess das Delirium bei Covid-Patienten verstärkt, aber auch zu "Brainfog" und anderen Problemen beitragen kann, an denen Menschen mit Long Covid leiden.

"Diese neurologischen Symptome sind für Betroffene und ihre Familien sehr besorgniserregend. Wir hoffen, dass unsere Forschung dabei helfen kann, geeignete Behandlungen zu finden, um diese Symptome zu lindern oder ganz zu verhindern", sagt Carmine Pariante, Professorin für biologische Psychiatrie am King's College und leitende Autorin der Studie.

Ansatz für neue Behandlungsmethoden

Und auch die Ergebnisse der Studie am Universitätsklinikum Freiburg deuteten auf einen "immunpathologischen Teufelskreis" hin, sagt Hartmut Hengel, Ärztlicher Direktor des Instituts für Virologie des Universitätsklinikums. Dieser Teufelskreis werde angetrieben durch eine frühe Bildung von Immunkomplexen im Blut. Hengel leitete die Studie gemeinsam mit Valeria Falcone, der Leiterin des Labors für Virusisolierung des Instituts für Virologie.

Die Studie bietet den Angaben zufolge Ansatzpunkte für neue Behandlungsmöglichkeiten. Gelinge es, die Immunkomplexe aus dem Blut zu entfernen, könne der Kreislauf möglicherweise gestoppt werden, wurde Falcone zitiert. (APA, kru, 5.10.2022)