Ukrainerin in einer Beratungsstelle. Immer mehr Vertriebene haben in den vergangenen Monaten und Wochen einen Job gefunden.

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Wien/Klagenfurt – Einen Erfolg bei der Verbesserung der Lage von Ukraineflüchtlingen in Österreich meldet das Innenministerium. Das Land Kärnten habe seinen Widerstand gegen die Erhöhung der Zuverdienstgrenze für die rund 57.000 in Grundversorgung befindlichen Kriegsvertriebenen aufgegeben, sagt ein Ministersprecher. Mit 110 Euro monatlich ist diese Grenze bis dato extrem niedrig angesetzt.

Kommenden Montag, beim Bund-Länder-Grundversorgungs-Koordinationsrat, könne die Summe, die arbeitende Ukrainerinnen monatlich verdienen dürfen, ohne dass ihre Grundversorgungsleistungen verringert oder gestrichen werden, daher erhöht werden. "Das ist eine wichtige Maßnahme bei der Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt. Die Hartnäckigkeit in den Verhandlungen und in den zahlreichen Gesprächen hat sich letztlich ausgezahlt und zu einer Lösung geführt", kommentiert Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) das Ergebnis.

Kompliziertes neues Modell

Beim Koordinationsrat will das Ministerium den Ländervertretern von neuem ein Zuverdienstgrenzen-Erhöhungsmodell zur Abstimmung vorlegen, das schon im Frühling erarbeitet wurde. Es sieht – am Beispiel einer Einzelperson –, vor, dass Arbeitseinkünfte über 110 Euro monatlich zu 70 Prozent für die Grundversorgung einbehalten werden, sie also nur zu 30 Prozent der arbeitenden Person zukommen. Der oder die Betroffene könnte dafür Quartier und Versorgung vorerst behalten.

Beim NGO-Zusammenschluss Asylkoordination warnt Lukas Gahleitner-Gertz dringend vor diesem Modell. Es sei bürokratisch und schwer zu administrieren, da auch Kinder und andere Verwandte miteinbezogen werden müssten, was komplizierte Berechnungen zur Folge hätte. Die ohnehin bereits am Limit arbeitenden dafür zuständigen Landesbehörden würden damit weiter überlastet, sagt Gahleitner-Gertz.

Die Asylkoordination schlägt ein "einfaches Zuverdienstgrenzenmodell" vor. Etwa indem man beschließe, die Grundversorgung in voller Größe drei Monate nach der Arbeitsaufnahme weiterlaufen zu lassen – und sie dann, nach einer Evaluierung des Einzelfalls, zu streichen.

Immer mehr Ukrainerinnen arbeiten

Die Lösung des Zuverdienstproblems war zuletzt immer dringlicher geworden. Immer mehr Ukrainerinnen, die als temporär schutzberechtigte Personen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, haben in den vergangenen Monaten und Wochen einen Job gefunden. Und mussten mit Schrecken feststellen, dass ihnen dies Quartier, Verpflegung und Taschengeld kosten konnte: Die Leistungen wurden ihnen gestrichen, weil sie mehr als 110 Euro monatlich verdienten – wenn dabei auch jeweils "im Einzelfall" eine Entscheidung getroffen werde, wie im Innenministerium betont wird,

Die zunehmenden praktischen Probleme seien auch der Grund, warum Kärnten nun doch mit der Zuverdienstgrenzen-Erhöhung einverstanden sei, heißt es aus dem Büro der dafür zuständigen Kärntner Landesrätin Sara Schaar (SPÖ). "Es war dringend nötig, dass hier etwas weitergeht", sagt ihre Pressesprecherin.

Kärnten weiter für generelle Lösung

Inhaltlich jedoch halte Schaar an ihren Einwänden fest. Nach wie vor trete sie dafür ein, dass die Zuverdienstgrenze nicht nur für Ukraineflüchtlinge, sondern für alle grundversorgten Personen erhöht werden müsse. Also auch für Asylwerber und subsidiär schutzberechtigte Menschen. "Mein Bestreben war es von Beginn an, eine verfassungsrechtlich konforme, vor allem aber eine faire und für alle hilfs- und schutzbedürftigen Fremden einheitliche Lösung zu finden", schreibt die Landesrätin in einem Brief vom 3. Oktober an den Innenminister.

Gerne, so Schaar, hätte sie zu dem Thema mit Karner nochmals ein Gespräch geführt. Leider sei es dazu nicht gekommen.

Asylkoordination würde klagen

Für eine höhere Zuverdienstgrenze aller Grundversorgten tritt auch Lukas Gahleitner vom NGO-Zusammenschluss Asylkoordination ein. Sollte die Zuverdienstgrenze wie zu erwarten einseitig für Ukraineflüchtlinge erhöht werden, werde man dies als gleichheitswidrig einklagen. Im Innenministerium weist man dazu auf mehrere Expertisen hin, die in diesem Fall keine Gleichheitswidrigkeit erkennen ließen. (Irene Brickner, 5.10.2022)