Das größte Gericht Österreichs bekommt eine neue Leitung, und dieser Vorgang ist politisch heikel.

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Die Entscheidungsfindung für die Nachfolge an der Spitze des größten österreichischen Gerichts geht in die heiße Phase. Laut Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ist die Besetzungskommission für die Präsidentenstelle am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) komplett. Das siebenköpfige Gremium wird sich demnächst konstituieren, hieß es am Dienstag aus dem Ministerium. Das letzte Wort bleibt aber bei der Politik: Die Bundesregierung erstellt einen Vorschlag an den Bundespräsidenten, der die Person ernennt.

Die Nachbesetzung sorgte bereits im Vorfeld für Aufregung. Grund war der im Jänner bekannt gewordenen "Sideletter" für Postenbesetzungen der türkis-grünen Bundesregierung. Demnach sollte bei der Nominierung die ÖVP zum Zug kommen – trotz eines gesetzlich geregelten Auswahlverfahrens.

Zadić entschied selbst

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) betonte im Nachgang, den Vorschlag der Personalkommission respektieren zu wollen. Entscheidend ist deshalb auch, wie die Kommission besetzt ist. Zadić machte die die Angelegenheit zur Chefinnensache und sendete Ex-Vizekanzler und Universitätsprofessor Clemens Jabloner sowie die Verfassungsrechtlerin Iris Eisenberger als Vertreter und Vertreterin der Wissenschaft in die Kommission. Als Vertreter des Justizministeriums wählte Zadić Michael Fruhmann, Leiter der Stabsstelle für Vergaberecht.

Das Bundeskanzleramt schickte Albert Posch, Leiter des Verfassungsdienstes und Kabinettschef vom ehemaligen Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP). Mit Ausnahme Poschs gelten diese Mitglieder als nicht klar parteipolitisch zuordenbar.

VwGH-Präsident mit Parteimitgliedschaft

Außerdem gehören der Kommission per Gesetz die Präsidenten bzw. die Präsidentin der drei Höchstgerichte an. Christoph Grabenwarter, Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), stand zwar auf dem türkis-blauen Sideletter, gilt aber als unabhängig. Elisabeth Lovrek ist als Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH) nicht politisch zuordenbar.

Unklar war zunächst die Rolle von Rudolf Thienel, Präsident des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH): Er ist ÖVP-Mitglied. Wie der STANDARD am Donnerstag aus dem Bundesministerium für öffentlichen Dienst erfuhr, wird sich Thienel in der Kommission allerdings vom VwGH-Senatspräsidenten Wolfgang Köller vertreten lassen. Grund dafür ist wohl, dass Thienel schon den Anschein einer möglichen Befangenheit vermeiden will.

Brisante Anfrage

Die Besetzungspolitik der türkis-grünen Regierung wird nach etlichen Vorwürfen des Verdachts auf Postenkorruption seitens der Türkisen mit Argusaugen beobachtet. Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) musste vergangene Woche im Untersuchungsausschuss zum Bestellungsverfahren Stellung nehmen und verteidigte die Sideletter-Politik, wich aber konkreten Fragen aus.

Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper richtete eine parlamentarische Anfrage an Zadić. Krisper befürchtete, dass über den Umweg der Zusammensetzung der Kommission die im "Sideletter" vorgesehenen Nominierung durch die ÖVP ermöglicht wird. Zudem ortete sie einen Interessenkonflikt, sollten sich Vertreter des Justizministeriums für die Position als Präsident am BVwG bewerben, gleichzeitig aber auch Vertreter in der Besetzungskommission nominieren. So soll sich laut STANDARD-Infos auch Alexander Pirker, Leiter der mächtigen Sektion III, für den Präsidentenjob beworben haben.

In ihrer Antwort versuchte Zadić nun zu beruhigen. Da sie und ihr Kabinett über eine "mögliche Bewerbung aus dem Haus informiert wurde", habe sie mit Fruhmann den Vertreter des Justizministeriums in der Besetzungskommission persönlich ausgesucht. Zudem betont Zadić, dass auch die Vertreter aus der Wissenschaft vom Justizministerium nominiert wurden. Damit habe das Ministerium "die Mehrheit der zu nominierenden Vertreter:innen" in der Kommission ausgewählt.

Regierung entscheidet

Zadićs Antwort dürfte Kritikerinnen und Kritikern Wind aus den Segeln genommen haben. Sie zeigt allerdings, wie heikel die Angelegenheit innerhalb der türkis-grünen Koalition ist. Neben der Nachfolge im BVwG-Präsidium lauern weitere Postenbesetzungen: So liegt etwa die Entscheidung über die Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde noch immer auf Eis. Im Frühjahr ging Michael Sachs, jetziger Vize-Präsident des BVwG, nach einer umstrittenen Entscheidung der Personalkommission als Bestgereihter aus dem Auswahlverfahren hervor. Die Grünen wehrten sich gegen die Reihung des ÖVP-Mannes wegen angeblicher fachlicher Mängel.

Sachs dürfte sich aber auch unter den insgesamt zwölf Bewerberinnen und Bewerbern für den Präsidentschaftsposten des BVwG befinden. Neben Sachs und Sektionschef Pirker soll sich die jetzige Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, ebenfalls beworben haben.

Nach den geplanten Hearings wird die Kommission drei Personen vorschlagen. Eine Reihung ist zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, wird aber erwartet. Wer also dem jetzigen Präsidenten Harald Perl, der Ende des Jahres in Pension geht, nachfolgen wird, bleibt in den Händen der Politik: Ernannt wird die neue Präsidentin oder der neue Präsident des BVwG letztlich vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung. (Laurin Lorenz, Jakob Pflügl, 6.10.2022)