Foto: Screenshot, Tiktok zeitimbild

Heinrich "Heini" Staudinger weiß nicht, was "Cringe, Brudi" oder "Okay, Boomer" heißt, wie man vom Kanal der "Zeit im Bild" auf Tiktok erfahren kann. Ob die Auswahl der Jugendbegriffe, die ihm da vorgelegt wurden, eine Anspielung auf Staudingers zuletzt reichlich bizarr wirkende Interviews sein soll, ist nicht überliefert. Dass die "ZiB"-Redaktion aber ausgerechnet Begriffe für peinliches Verhalten und antiquierte Ansichten wählt, ist sicher kein Zufall.

Ein großer Jugendsprache-Wortschatz ist glücklicherweise kein Kriterium für das Amt des Bundespräsidenten. Staudinger hat seine Expertise anderswo: So weiß der 69-Jährige in der zerschlissenen roten Jacke ganz genau, was "Mutter Erde" will, dass die MeToo-Bewegung von der CIA erfunden wurde, um die Gesellschaft zu spalten, und nicht jeder "Furz" eine sexuelle Belästigung darstellt. Ein gefundenes Fressen für Spötter im Internet, denn Staudinger hat es damit geschafft, ohne eigenen Tiktok-Account auf der Plattform viral zu gehen – und zwar mit einem wenig schmeichelhaften Zusammenschnitt.

Der Social-Web-Wahlkampf des Kandidaten Staudinger findet also eher unfreiwillig statt, denn sein Team oder er selbst sind kaum auf sozialen Medien aktiv. Zwar gibt es einen Facebook-Account mit immerhin 4.206 Followern, geteilt werden aber meist nur Inhalte aus Talkrunden oder Einladungen zur Wahlparty in seiner Firma in Schrems im Waldviertel. Staudingers Twitter-Konto ging erst im August 2022 an den Start und hat bescheidene 612 Follower. Einen Instagram-Account sucht man bei Staudinger vergeblich, hier haben einzelne Filialen seines Unternehmens die Promotion seiner Inhalte übernommen.

Staudingers zum Teil recht weite Gedankensprünge in TV-Interviews, seine oft ungehaltene Lautstärke und sein recht legerer Auftritt sind Thema vieler Kommentare, in denen häufig das Wort "verwirrt" wiederkehrt. Außerdem wird Staudinger eine gewisse Nähe zur Corona-Leugner-Szene nachgesagt, auch ein Zitat von Adolf Hitler auf der GEA-Website sorgt immer wieder für Irritationen.

Bei aller Häme sprechen aber auch viele Nutzer dem Waldviertler Schuh- und Möbelmacher ihren Respekt aus, weil er sich 2017 als "Finanzrebell" medienwirksam mit der Finanzmarktaufsicht anlegte. Ein User fasst es so zusammen: "Du bist ein ganz ehrlicher und sympathischer Mensch – aber nix für die Politik!" (red, 6.10.2022)