Elon Musk hat "ein superschlechtes Gefühl" was die Konjunktur betrifft.

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Bisher schien das Wachstum von Tesla vorprogrammiert. Angesichts der hohen Nachfrage nach seinen E-Autos konnte der US-Konzern die Preise erhöhen und steckte Krisen besser weg als die meisten Konkurrenten. Der weltgrößte Elektroautobauer kam mit der Produktion und der Auslieferung seiner Fahrzeuge der Modellreihen Y und 3 kaum hinterher. Da nun eine Rezession aufzieht, sehen Analysten erste Anzeichen für ein behutsameres Vorgehen des E-Auto-Pioniers. Anlass ist, dass Tesla im dritten Quartal über 22.000 Autos mehr hergestellt hat als an Kunden geliefert. Das ist das erste Mal, dass das Unternehmen soviele Fahrzeuge im Bestand finanzieren musste. In den letzten drei Jahren hat der Konzern auf Quartalsebene meist mehr Elektrofahrzeuge verkauft, als er produzieren konnte. Einzige Ausnahme war Anfang 2020, als Tesla die Lieferungen wegen der Covid-Pandemie vorübergehend unterbrach.

Der Aufbau von Lagerbeständen ist üblicherweise ein Indikator für einen Abschwung der Autobranche, der mit Preisabschlägen verbunden ist. Tesla selbst macht Transportprobleme dafür verantwortlich, dass die Auslieferungen im Zeitraum Juli bis September die Erwartungen der Wall Street verfehlten. Sollte Tesla die Lagerbestände in den kommenden Quartalen ausweiten müssen, um die Produktionsüberhänge abzufedern, würde dies weiteres Kapital binden, das der Konzern für sein Wachstum benötigt. Analysten gehen davon aus, dass die Nachfrage auch künftig höher sein wird als Tesla sie bedienen kann. Das ist zumindest die Grundannahme, die hinter dem aggressiven Expansionplan für das nächste Jahr steckt, wenn Tesla seine Werke in Shanghai, Grünheide bei Berlin und Austin im US-Bundesstaat Texas hochfahren will.

Finanzielle Herausforderungen im nächsten Jahr

Sam Abuelsamid, Analyst beim Beratungshaus Guidehouse Insights, schätzt, dass Tesla im nächsten Jahr mit finanziellen Herausforderungen konfrontiert sein werde, wenn es nicht gelinge, die neuen Fabriken auszulasten.

Sein Kollege Adam Jones von Morgan Stanley geht nicht davon aus, dass Tesla ein unmittelbares Nachfrageproblem hat. Er verbindet dies allerdings mit einer Warnung in Bezug auf die Preisgestaltung und Teslas Fähigkeit, sich dem Konjunkturabschwung zu entziehen. Es wäre unvernünftig anzunehmen, dass Tesla die Preise beliebig anheben könne, ohne dass die Nachfrage darunter leide, schrieb Jones in einem Kommentar. Teslas durchschnittlicher Transaktionspreis je Fahrzeug stieg laut dem Automobilbewerter Kelley Blue Book im August um 31 Prozent auf 69.831 Dollar, verglichen mit 53.132 Dollar Anfang 2021. Damit übertraf Tesla die branchenweiten Preiserhöhungen in diesem Zeitraum um 18 Prozent. Experten bezweifeln, dass sich ein solcher Anstieg fortsetzen wird. Die Vorzeichen jedenfalls deuten nicht darauf hin.

Auch sinkende Lieferzeiten sind ein Zeichen

Ein Hinweis auf eine Abschwächung sind die Lieferzeiten: Der Zeitraum, in dem Tesla-Kunden nach der Bestellung auf die Lieferung ihres Neuwagens warten müssen, ist sowohl in den USA als auch in China, den beiden größten Absatzmärkten von Tesla, gesunken. In China wurde die Lieferzeit seit August viermal auf ein Minimum von einer Woche verkürzt. Auch von dem Grundsatz, auf Marketing und Rabatte weitgehend zu verzichten, rückte Tesla zuletzt ab. Chinesischen Kunden bot der US-Autobauer einen Preisabschlag von 8.000 Yuan (rund 1.100 Euro) an, wenn sie ihren Neuwagen bis Ende September entgegennehmen.

Dazu trägt auch die zunehmende Konkurrenz bei, der sich Tesla in der Volksrepublik ausgesetzt sieht. Lokale Hersteller wie BYD, Nio und Xpeng bieten ihre Fahrzeuge meist günstiger an und treffen den Geschmack der heimischen Kundschaft mitunter besser. Darauf stellen sich auch deutsche Hersteller wie VW, Mercedes und BMW ein.

Tesla-Chef Elon Musk sagte im Juli, die Preise hätten "peinliche Niveaus" erreicht. Er sprach davon, dass die Nachfrage abstürzen könne, sollten die Preise "ein willkürlich hohes Niveau" erreichen. Die Frage, wie Tesla angesichts einer drohenden Rezession das zunehmende Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einschätzt, wird Investoren und Analysten interessieren, wenn Tesla am 19. Oktober seine Quartalszahlen präsentiert. Vor wenigen Wochen erst hatte Musk mit Äußerungen für Aufsehen gesorgt, er habe "ein super schlechtes Gefühl", was die Konjunktur betreffe. Er erwarte eine "milde Rezession", die bis zu 18 Monate anhalten könne. (Reuters, 5.10.2022)