In Deutschland steigen die Preise für WGs und Studierendenwohnheime ins Unermessliche. In Frankreich verlängern erste Unis die Ferienzeit, um Heizkosten zu sparen. In Großbritannien streiken Lehrende wegen sinkender Reallöhne. Quer durch Europas Universitätslandschaft macht sich mit Beginn des Wintersemesters die Inflation bemerkbar.

Bei Sparmaßnahmen an den Unis könnten Stellen von Tutoren und Studienassistentinnen als Erstes wegfallen, warnt die ÖH. Durch die Inflation stehen die Unis vor einem Budgetloch.
Illustration: Fatih Aydogdu

Der allgemeine Tenor: Angst, bei den politischen Maßnahmen gegen die Teuerung hintanzustehen. In Österreich trifft die Inflation vor allem jene Studierenden, die es bereits zuvor schwerhatten: Alleinerziehende, Studierende mit Beeinträchtigungen, Drittstaatsangehörige und Beihilfenbeziehende – insbesondere jene mit Selbsterhalterstipendium.

Eine von ihnen ist Laura Lindrack. Die 28-Jährige studiert Umweltpädagogik im neunten Semester und lebt von 923 Euro im Monat. "Der September war schon immer die härteste Zeit", erzählt sie. Denn zu Semesterbeginn prüft die Beihilfebehörde, ob Laura im Vorjahr die für ihr Stipendium erforderlichen ECTS-Punkte erreicht hat. Erst dann erhält sie die Förderung. Dieses Jahr macht ihr aber der Winter mehr Sorgen als der Herbst. Sie spüre die Teuerung bereits, sagt sie – bei Lebensmitteln, der Mobilität und vor allem der Miete.

Mehr Arbeit, längeres Studium

Dabei hat der Nationalrat erst im Mai eine Erhöhung der Studienförderung beschlossen: Zwischen 8,5 und zwölf Prozent stiegen die Beihilfen diesen September, allerdings hatten sie seit der letzten Erhöhung 2017 an Kaufkraft verloren. Zusätzlich erhalten Beihilfebezieher nun einen einmaligen Inflationsausgleich von 300 Euro. "Noch im Frühjahr hätten diese Beträge ausgereicht", sagt Martin Unger von der Gesellschaft für Hochschulforschung, "jetzt aber fallen sie real deutlich geringer aus als im Parlament beschlossen."

Lindrack machte sich bereits im Frühling Sorgen um ihre Finanzen und stockte deswegen ihre Arbeitsstunden auf. Mit einer Anstellung als Pädagogin im migrantischen Bereich, ihrem Studium und etwas ehrenamtlicher Arbeit kam sie in diesem Zeitraum auf 60 Wochenstunden. Wegen der vielen Arbeit habe sich ihr Studium um ein Semester verlängert, sagt sie. Der Anteil der erwerbstätigen Studierenden ist bereits in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, 2019 lag er bei 65 Prozent. Ab einem Arbeitsaufwand von zehn Stunden verlängert sich typischerweise das Studium, wie die Studierendensozialerhebung zeigt. "So drehe ich mich mit meinen Problemen im Kreis", formuliert es die angehende Umweltpädagogin.

Wert der Uni-Budgets bröckelt rapide

Mit ihren Sorgen ist sie nicht allein. Im Sozialreferat, der ÖH-Beratungsstelle für soziale Anliegen, fragen immer mehr Studierende um finanzielle Unterstützung bei Miet- und Heizkosten an. Mieten seien der belastendste Bereich für Studierende, schätzt Experte Unger: "Billigere Nudeln findet man vielleicht noch irgendwo", für die Mieten der Studierenden gebe es aber keine Alternative – außer sie zögen zu ihren Familien zurück: ein Trend aus der Pandemie, der sich jetzt verstärken könnte. Die WG-Preise haben für einige Studierende schon angezogen, andere fürchten sich vor Erhöhungen in den kommenden Monaten. In den Studierendenheimen steigen die monatlichen Betriebskosten laut Studienheimbetreiber Stuwo um durchschnittlich 15 Euro.

Auch das Aufwärmen in den Unis könnte schwer werden. Die Universitätskonferenz (Uniko) schlägt Alarm, eine Uni nach der anderen warnt öffentlich vor dräuenden Einsparungen angesichts steigender Kosten für Energie und bald auch für Personal. Es fehlt Geld. 1,2 Milliarden Euro seien für den Zeitraum 2022 bis 2024 zusätzlich nötig, um einen hochwertigen Uni-Betrieb zu garantieren, rechnet die Uniko vor. Das Problem: Die Unis bekommen ihr Budget über Leistungsvereinbarungen mit dem Bund, die für je drei Jahre im Voraus beschlossen werden.

Als das Geld für 2022 bis 2024 vor über einem Jahr ausverhandelt wurde, hat man noch mit einer Inflation von zwei Prozent gerechnet. Bei einer tatsächlichen Inflation von zehn Prozent bröckelt der Wert der paktierten Beträge jedoch rapide. Interne Sparmaßnahmen wie die Reduktion der Raumtemperatur, Gebäudesperren in vorlesungsfreien Zeiten oder ein Personalaufnahmestopp können das Defizit laut Uniko "unmöglich ausgleichen". Ohne Unterstützung sei der Wissenschaftsstandort gefährdet.

Verschobene Hochzeiten

Uni-Schließungen oder Personalrückbau seien ohnehin untragbare Maßnahmen, sagt Naima Gobara vom ÖH-Vorsitzteam: "Es kann nicht sein, dass Studierende jahrelang darum kämpfen, wieder an die Uni zu können, und jetzt aufgrund von Heizkosten wieder nach Hause geschickt werden." Zudem kämen bei den befürchteten Personalkürzungen häufig die Stellen von Studienassistentinnen und Tutoren zuerst dran – also jene Posten, die von Studierenden besetzt sind.

Das ÖVP-geführte Bildungsministerium erklärt auf Anfrage, die Unis "als Hochschulmanager" müssten selbst auf die veränderten Rahmenbedingungen eingehen, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Gleichzeitig müsse die öffentliche Hand reagieren, man sei deswegen in Austausch mit dem Finanzministerium.

Für Studierende mit Sozialnetz geht es um Betreuungsverhältnisse. Für die anderen um Grundbedürfnisse. Die ÖH fordert, die Studienbeiträge dieses Jahr auszusetzen sowie die Unterstützung bei Miet-, Energie und Lebensmittelkosten zu erhöhen. Studentin Lindrack versucht das Ihre. Sie will nur noch gut überlegte Supermarkteinkäufe tätigen und höchstens einmal im Monat tanken. Ihre Hochzeit hat sie auch verschoben. Denn danach würden die Finanzen des Ehepartners ungünstig in ihre Stipendienberechnung einfließen – und das kann sie sich gerade nicht leisten. (Sarah Yolanda Koss, 6.10.2022)